Almodóvar zeigt "Fliegende Liebende"

Der spanische Regisseur erinnert sich an seine Anfänge. Seine neue Produktion ist eine arglose Komödie. Zu sehen ist die Besatzung eines Flugzeugs, das auf die Lande-Erlaubnis wartet und in der Luft Schleifen fliegt.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Filmregisseur polarisiert, dass er ebenso bewundert wie angefeindet wird. Aber Pedro Almodóvar polarisiert sogar innerhalb seiner Fangemeinde. Das liegt daran, dass es einen frühen und einen späten Almodóvar gibt. Der frühe Almodóvar war schrill, schräg und völlig frei von Tiefgang. Mit "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" (1988) schuf er einen der bekanntesten Titel der jüngeren Filmgeschichte, er erhielt seine erste Oscar-Nominierung, wurde zum Publikums- und Kritikerliebling. Jeder seiner Filme schaffte es fortan in den Wettbewerb von Cannes oder Venedig. Almodóvar wurde ernst genommen, es gab akademische Filmliteratur über ihn. Und er begann sich selbst ernst zu nehmen.

Von da an schieden sich die Geister. Die einen begrüßten seine Reife. Er erhielt Oscars für "Alles über meine Mutter" (1999) und das Koma-Patientinnen-Drama "Sprich mit ihr" (2002). Die anderen bedauerten diese Entwicklung und sehnten sich nach dem alten, naiven, unschuldigen Almodóvar zurück. Sie haben ihn endlich wieder. "Fliegende Liebende" ist eine schrille, schräge Komödie mit wenig Tiefgang.

Dieser Film ist im Grunde nichts weiter als eine Reihe von Sketchen, eine abendfüllende Sitcom. Ein Flugzeug befindet sich in einer Warteschleife über Toledo und darf nicht landen. Die Passagiere könnten in Panik geraten, also werden sie und ein Teil der Besatzung in einen tiefen Schlaf versetzt. Nur ein Dutzend Menschen bleibt wach. Sie machen das Beste aus der Situation, sie singen und tanzen und erzählen von sich.

Almodóvar, ein Anhänger von Hollywoods Starkino, hat in der Vergangenheit selbst zahlreiche Stars aufgebaut: Antonio Banderas, Penelope Cruz, Javier Bardem und Gael García Bernal verdanken ihm ihre Weltkarrieren. Doch in "Fliegende Liebende" erteilt er dem traditionellen Starkino eine Absage. In den ersten Minuten sieht man Antonio Banderas und Penelope Cruz, aber sie gehören zum Bodenpersonal, verschwinden und tauchen nie wieder auf.

Umso besser können sich die anderen, bei uns unbekannten Darsteller entfalten: mit aufwühlenden Bekenntnissen ebenso wie mit Musical-Einlagen. Und man kann der Geburt eines Stars beiwohnen: Blanca Suárez, 25 Jahre alt, spielt die – zum Glück nur leicht – selbstmordgefährdete Geliebte eines Passagiers. Sie bringt Drama in den Film, doch im Gedächtnis bleiben ihre Schönheit und ihre Anmut. Sie befindet sich nicht an Bord, sie bleibt auf der Erde, aber sie ist himmlisch.

In Spanien sorgt Almodóvar nach wie vor für Kontroversen, die man hierzulande kaum nachvollziehen kann. Er liebt es, die Kirche zu provozieren und bevölkert seine Filme mit homo- und transsexuellen Charakteren. "Fliegende Liebende" ist keine Ausnahme. Selbst die Piloten, die Frau und Kind haben, bekennen sich im Verlauf der Handlung zu gleichgeschlechtlichen Erfahrungen. Was in Almodóvars Heimat die Gemüter erhitzt, wirkt bei uns vorhersehbar.

Die Stärken seines Films offenbaren auch seine Schwächen. Almodóvar ist ein hochbegabter Stilist. Ausstattung, Kostüme und Musik sind vom Feinsten. Man kann seinen Filmen alles Mögliche vorwerfen, aber nicht, dass sie lieblos gemacht wären. Jeder Winkel auf der Leinwand ist durchkalkuliert, jede Farbe hat ihre Berechtigung.

Doch von einem Mann, der seit einem Vierteljahrhundert zu den Größen im Kino gehört, darf man mehr erwarten. Almodóvar will mehr als ein Routinier sein, aber zu einem Künstler mit einer persönlichen Handschrift fehlt ihm der Mut, sich zu offenbaren. Deshalb sollte er sich ruhig weiter auf überdrehte Genreparodien spezialisieren, da ist er in seinem Element. lll

(RP)
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