Neuss Architektur-Fotografie von Thomas Demand

Neuss · Bekannt wurde Thomas Demand durch seine Fotos von Tatorten, Supermärkten oder gar dem Oval Office des US-Präsidenten. Die Pointe dieser hyperrealistisch aussehenden Bilder: Demand ist nie an diesen Orten gewesen. Vielmehr begnügte er sich mit herkömmlichen Zeitungsfotos, deren Motive er dann in akribischer Detailarbeit aus Papier und Pappe nachbaute. Seine Bilder zeigen uns also eine "zweite Realität", eine nachempfundene Wirklichkeit. Bemerkenswert ist zudem, dass der Künstler die gebauten Modelle nach der Ablichtung zerstört. So bleiben nur die Fotografien als autonome Kunstwerke erhalten.

Nebenher schuf sich Demand seine eigenen Denkmäler der deutschen Geschichte: In Originalgröße baute er das Badezimmer nach, in dem Uwe Barschel starb, das Verlies des entführten Jan Philipp Reemtsma und die Wolfsschanze nach Stauffenbergs misslungenem Hitler-Attentat.

Nicht ganz so spannend sind die Modell-Fotografien, die nun im Siza-Pavillon der Raketenstation Hombroich zu sehen sind. Dass sich Demand in penibler Art und Weise mit Architektur auseinandersetzt, ahnte man ja bereits. Die abstrakt anmutenden Nahaufnahmen von Modellen des amerikanischen Architekten John Lautner und von "SANAA", einem einflussreichen japanischen Architekturbüro, unterstreichen mit Nachdruck, wie sehr es dem fotografierenden Bildhauer auf jedes einzelne Detail ankommt. Hier konzentriert er sich ganz auf die Materialität, die Bauweise und die Gebrauchsspuren der Architekturmodelle.

Übrigens pflegte auch John Lautner seine Modelle wegzuwerfen. Er wurde vor allem durch seine spektakulären Wohnhäuser in der Umgebung von Los Angeles bekannt, die als Drehorte in die Filmgeschichte eingegangen sind ("The Big Lebowski"). Dass der in Berlin lebende und arbeitende Demand im Jahr 2011 ein paar seltene, vor dem Reißwolf gerettete Exemplare noch fotografieren durfte, wird er als Glücksfall angesehen haben. Aufgrund der extremen Nahsicht lassen sich die Originalmodelle freilich kaum noch identifizieren. Gestapelte Pappen erscheinen im engen Bildausschnitt nur noch wie abstrakte Kompositionen. Ein abgedecktes Modell bewahrt sein Geheimnis und erinnert ein wenig an Christos Verhüllungskunst. Hier nimmt Demand die Details unter die Lupe, richtet den Künstler-Blick auf Ecken, Kanten, Licht, Farbe und den spröden Charme eines Tesafilm-Fetzens.

Die Schau mit dem Titel "Modellstudien" ist die erste Einzelausstellung eines zeitgenössischen Künstlers auf der Raketenstation.

Thomas Demand (Jahrgang 1964) begann sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München und wechselte 1989 an die Kunstakademie in Düsseldorf in die Klasse von Fritz Schwegler.

Info Thomas Demand, "Model Studies". Raketenstation Hombroich, Siza Pavillon. Bis 6. Dezember.

(RP)
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