Düsseldorf Die Biene Maja summt ins Kino

Düsseldorf · 1912 wagte sich die freche, kleine Honigsammlerin erstmals in ein unbekanntes Land, in den 70er Jahren wurde sie als Trickfigur weltberühmt. Nun fliegt sie in 3D auf die Leinwand - und lehrt Kinder das Vorwitzigsein.

Sie ist neugierig. Sie ist wissbegierig. Sie will hinaus in die weite Welt. Und sie heißt Maja, nicht Nummer Soundsoviel wie die anderen im Staat. Maja ist eine Persönlichkeit, ein frecher, mutiger Charakter, ein Individuum in einem Staat, der keine Individuen kennt. Die kleine Biene mit der Mutti-Frisur, die arglos ihren Stock verlässt, einfach hinausfliegt in die bunte Blumenwiese, um Erfahrungen zu sammeln, statt Honig, ist ein perfektes Rollenmodell für Kinder. Ein forsches Mädchen, das Fragen stellt, etwas wagt, um zu wachsen und Freunde findet, weil es keine Vorurteile kennt.

Nun brummt Maja ins Kino. Bereits in den 20er Jahren hatte ein Stummfilmemacher Majas Abenteuer mit echten Insekten nachgestellt. Doch die Geschichte der kleinen Rebellin bedarf anderer technischer Möglichkeiten, sie ist wie erdacht für den Trickfilm. In den 70er Jahren brachte das ZDF in Coproduktion mit einem japanischen Studio eine Zeichentrickserie ins Fernsehen, die Maja als keckes Pummelchen zum Kinderstar machte. Erst die Zeichentrickkünstler stellten ihr neben dem tiefenentspannten Grashüpfer Flip auch jenen verzagten, schlafmützigen Gefährten Willi an die Seite, der Majas Tapferkeit so recht zur Geltung bringt. Willi will immer lieber nicht. Er taumelte mit geknickten Fühlern hinter seiner Freundin her, die schon längst ins nächste Abenteuer fliegt, während er noch lamentiert und seine Bedenken pflegt. So finden Ängste ein Ventil, und Kinder können sich unbeschwert mit Maja ins "unbekannte Land" vorwagen. Karel Gott sang die Hymne dazu, und als die erste Staffel in den 70er Jahren endete, bekam das ZDF 40 000 Zuschauer-Briefe mit der Bitte um Wiederholung.

Die sollte es geben. Immer sonntags. Und 2013 auch eine neue Version der Zeichentrickfigur. Schlanker. Und dank der Animationstechnik auch wendiger sauste Maja nun durch eine noch buntere, noch abenteuerlichere Blumenwiese und Helene Fischer singt den Titelsong.

Man habe die Figur den Sehgewohnheiten angepasst, hieß es damals. Doch nicht nur Nostalgiker werden finden, dass die erste Biene charaktervoller, eigenwilliger, unverwechselbarer war. Die neue animierte Maja reiht sich ein in die vielen Krabbeltiere, "cars" oder "planes", die in jüngster Zeit im Computer zum Leben erweckt werden und oft eine Spur zu überdreht wirken. Sie sind hyperaktiv, weil die Technik es kann. Auch im neuen Film ist Maja ein süßes kulleraugiges Summchen, das sehr viel hopsen und lachen muss, als habe es Angst, die Aufmerksamkeit seiner jungen Zuschauer zu verlieren.

Auch die Geschichte ähnelt anderen Animationsfilmen, in denen junge Helden manche Prüfung bestehen müssen, um zu reifen und wahre Freunde zu finden. Das Naturreich bleibt Kulisse für höchst menschliche Erlebnisse: Maja verlässt einen Bienenstaat mit gütiger Königin und böser Beraterin, die selbst auf den Thron will. Also predigt Gunila Hass gegen die Hornissen. Die unbedarfte Maja hingegen freundet sich in der Freiheit mit einem Hornissen-Bengel an - Romeo und Julia lehren den Rest der Welt Toleranz und verhindern die Katastrophe. Auch im Maja-Film wird also die Macht der Freundschaft beschworen. Sie scheint die Antwort zu sein auf alle Unbill der Gegenwart.

1912 gab es noch andere Botschaften. In jenem Jahr schuf Waldemar Bonsels die Figur der kleinen Maja. Ein Autor, der aus seinen antisemitischen Überzeugungen keinen Hehl machte, während der Nazi-Zeit als Publizist hetzte und Mitglied der Reichsschrifttumskammer wurde. In seiner neoromantischen Frühphase jedoch schuf er mit Maja noch eine Rebellin, die ausbricht aus der bürgerlichen Enge, die sich Regeln widersetzt und daraus Gewinn zieht: Sie reift als Persönlichkeit. Und sie erfährt von der tödlichen Bedrohung ihres Bienenstaates durch die Hornissen.

Das allerdings bringt sie zurück ins Bienenkollektiv. In der Gefahr erinnert sie sich an "Volk und Heimat", wie es bei Bonsels heißt. Maja eilt zu ihrem Stock, um die Ihren zu warnen, und japst mit letzter Kraft, dass sie für ihre Königin sterben wolle. Krieg gibt es trotzdem, und die Bienen gewinnen ihn, weil sie "einig und treu" sind und ein vorwitziges Bienchen sich gerade rechtzeitig auf seine Pflichten besann. Anders als Astrid Lindgren, die mit Pippi Langstrumpf einen durch und durch anarchischen Charakter schuf, gönnt Bonsels seiner Heldin die Flucht in die Freiheit also nur auf Zeit. Es bleibt ein lehrreicher Ausflug. Als der Krieg mit den Hornissen droht, tritt Maja zurück ins Glied.

Bonsels "Die Biene Maja und ihre Abenteuer" ist keine Hetzschrift, aber die Werte des Autors sind der Geschichte eingeschrieben, wie es bei jedem Kinderbuch geschieht. Die Autoren des Animationsfilms, in dem Maja ab Donnerstag über die Leinwand summt, haben aus der wachen, manchmal auch ernsten Entdeckerin eine drollige Heldin gemacht, die sich ohne Selbstzweifel in ihr Abenteuer stürzt. Und sich bestens vermarkten lässt. Vom Stofftier bis zum Gummibärchen ist die Produktkette längst geschaffen und in 100 Länder verkauft. Auch die Maja der Gegenwart tut ihre Pflicht.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort