Interview mit Schauspieler Bruno Ganz "Hitler hängt mir immer noch an"

Düsseldorf (RP). Der Schauspieler Bruno Ganz spricht im Interview mit unserer Redaktion über seine Schwierigkeiten, Abstand zu gewinnen von seiner Rolle als Adolf Hitler in "Der Untergang" - und über seine neuen Projekte. Am 14. Mai ist er nach langer Zeit wieder im Fernsehen zu sehen: in dem Psychodrama "Copacabana".

Interview mit Schauspieler Bruno Ganz: "Hitler hängt mir immer noch an"
Foto: ddp, ddp

Seit dem "Untergang" macht er sich rar: der Schauspieler Bruno Ganz. Die Darstellung von Adolf Hitler hat ihn ausgelaugt. Erst hat er sich eine ganze Weile Ruhe verordnet, dann den zauberhaften Schweizer Kinofilm "Vitus" gedreht. Und nun ist er, nach vielen Jahren der Abstinenz, mal wieder im Fernsehen zu sehen: am 14. Mai in der ARD.

Können Sie Filme abhaken, wenn Sie zu Ende gedreht haben?

Ganz Na ja, es geschieht, was geschieht. Was soll ich sagen. Manches bleibt länger. Wie das letzte große Ding. Damit bin ich immer noch nicht fertig.

Das heißt, Hitler spukt Ihnen immer noch im Kopf herum?

Ganz Natürlich. Ich wusste ja, dass mir dieses Ding lange anhängen würde. Aber wie lange, das war mir nicht klar, als ich das Angebot angenommen hatte.

Hätten Sie doch auf Ihren Sohn hören sollen, der Ihnen abgeraten hatte?

Ganz Und mich dann für den Rest meines Lebens ärgern, dass ich es nicht getan habe? Nein, auf keinen Fall. Oder mich ärgern, wenn ich gesehen hätte, dass ein anderer es spielt? Auf seine Weise. Aber nicht so, wie ich es mir gedacht hätte. Nein, das musste ich machen. Und ich muss auch jetzt durch die Aufarbeitung.

Was genau macht es Ihnen so schwer, sich von Hitler lösen zu können?

Ganz Es geht um die Einschätzung dieses Menschen nach dem Jahr 1945. Wenn Hitler 1938 gestorben wäre, würden wir heute noch Denkmale sehen. Da bin ich mir sicher. Wie die Nazis an die Macht gekommen sind, das verblüfft immer noch. Welche Kräfte mögen da gewirkt haben? Was war das für ein Typ? Welche Faszination ist wirklich von ihm ausgegangen? Der Adolf Hitler, den ich da im "Untergang" spiele, hat ja mit dem Adolf Hitler Anfang der 30er Jahre kaum noch etwas gemein. Von dem Menschen, der die Massen fesselt, ist der da weit entfernt. Welchen Weg ist er gegangen? All das und noch viel mehr geht mir im Kopf herum.

Und wird es besser mit der Zeit, wenn man immer und immer wieder darüber nachdenkt?

Ganz Ein wenig, ein wenig vielleicht. Aber es wird immer ein Rätsel bleiben. Wissen Sie, was mich beschäftigt: Wenn man sich eine Weile nur auf die Täter-Seite begibt, den Hitler ohne Vorbehalte spielt, dann sieht es so aus, wie es auf der Leinwand ausgesehen hat. Aber es ist eine gefährliche Einfühlung. Eine Einfühlung in den Menschen Hitler und dieses verteufelte System, dem ein ganzes Land verfallen ist.

Es gibt ja das Wort vom Teufel, den man mit dem Belzebub austreiben kann. Oder das vielleicht versucht.

Ganz Sie meinen, dass ich noch einmal eine der Nazigrößen spielen müsste, um all das besser zu verstehen? Nein, dieses Thema hat sich schauspielerisch für mich erledigt.

Und stattdessen jetzt ein Comeback im Fernsehen?

Ganz Warum denn bitte nicht?! In der Praxis ist das doch schon lange nicht mehr so, dass nur das Kino die großen Geschichten erzählt und das Fernsehen die kleinen. Das mag mal so gewesen sein, hat sich aber geändert. Natürlich wird hier eine Geschichte erzählt, eine Familiengeschichte. Das sind keine großen Einzelschicksale. Aber es ist alles erfrischend normal, nicht aufgesetzt. Was ich normalerweise so mache, war da nicht verlangt. Aber es hat Spaß gemacht.

Was war der ausschlaggebende Punkt, dass Sie zugesagt haben?

Ganz Der Regisseur Xaver Schwarzenberger war definitiv ein Grund. Und natürlich meine Partnerin im Film: Nicole Heesters. Die kenne ich schon lange. Habe aber noch nie mit ihr gearbeitet. Dass wir da zueinander gefunden haben, ist wie eine Fügung.

In diesem Film stehen Sie nicht allein im Mittelpunkt.

Ganz Nein, ich hatte richtig Lust, was in einer Gruppe zu machen. Dass nicht alles auf mir ruht. Zur Abwechslung ist das mal sehr angenehm. Man hat mehr Zeit, auf die anderen zu achten. Man ist nicht ständig gefordert.

Als nächstes sehen wir Sie dann wieder im Kino, in "Jugend ohne Jugend" von Francis Ford Coppola. Wie ist das, wenn ein Großmeister des Kinos Kontakt aufnimmt?

Ganz Eines Tages klingelt das Telefon: "This is Francis — Hey Bruno".

Und Sie waren nicht ein wenig abgeschreckt von den schlechten Filmen, die er in der letzten Zeit gedreht hat?

Ganz Mit den Sachen, die er gemacht hat, und selbst mit denen, die nicht erfolgreich waren — nein nein, das ist schon ein großer Meister. Man darf nicht vergessen, einen Film wie "Apocalypse Now" kann man nicht mehr toppen. Oder "Der Pate" — Wahnsinn! Wenn einen so einer fragt, ob man mit ihm arbeiten mag, dann ist das eine Ehre.

Wie war die Zusammenarbeit?

Ganz Ich hatte Angst vor ihm und war erstaunt über seine Milde und seine Freundlichkeit. Aber ich wusste natürlich auch, dass dahinter etwas anderes lauert. Einen Film wie "Apocalypse Now" kann man nur machen, wenn man auch sehr böse werden kann. Ich habe darauf gewartet, dass es ausbricht. Aber er hat es mir gegenüber nicht gezeigt.

Eine merkwürdige Vorstellung: Der große Bruno Ganz kommt zum Set und ist ganz vorsichtig.

Ganz Entschuldigung: Da trifft man auf einen Mann, der mit Leuten zusammengearbeitet hat, die man für das Größte hält. Wenn ich nur an Marlon Brando denke. Man hat da sehr viel Respekt. Mir geht es so, dass ich in solchen Momenten sehr eingeschüchtert bin. Da fühle ich mich sehr klein.

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