Kultur Wie Maler den kleinen Jesus feiern

Düsseldorf · Christi Geburt zählt zu den meistgemalten Motiven der abendländischen Kunst. Von Giotto überRogier van der Weyden bis zu Hieronymus Bosch – berühmte Maler haben sich von der Weihnachtsgeschichte in den Evangelien inspirieren lassen: zur Darstellung eines Wunders.

Bilder aus dem Weihnachts-Spot von Nivea
13 Bilder

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Christi Geburt zählt zu den meistgemalten Motiven der abendländischen Kunst. Von Giotto überRogier van der Weyden bis zu Hieronymus Bosch — berühmte Maler haben sich von der Weihnachtsgeschichte in den Evangelien inspirieren lassen: zur Darstellung eines Wunders.

Gäbe es eine Rangliste der häufigsten Bildmotive in der abendländischen Kunst, so stünde die Darstellung von Christi Geburt auf einem der vorderen Plätze. Wer durch eine der großen Sammlungen alter Kunst streift, durch die Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, die Alte Pinakothek in München oder die Gemäldegalerie Berlin, wird feststellen, dass nur ein Motiv noch häufiger vorkommt als die Geburt des Jesuskinds: Christi Kreuzigung.

Das hat seinen Grund im Glauben, denn die Kreuzigung am Karfreitag geht der Auferstehung zu Ostern unmittelbar voraus. Ostern aber ist das höchste christliche Fest. Weihnachten muss sich mit Platz zwei begnügen, obwohl doch Jesu Geburt die Voraussetzung allen Heilsgeschehens ist.

In fast zwei Jahrtausenden hat die Geburt wie die Kreuzigung ungezählte Künstler dazu beflügelt darzustellen, wie es gewesen sein könnte. Dabei war die Weihnachtsszene das dankbarere der beiden Motive. Anders als das düster aufragende Holzkreuz mit dem angenagelten Christus stellt sie Menschen zueinander, lädt ein zum Fabulieren mit dem Pinsel und wärmt dem Betrachter das Herz.

Schauen wir uns eines der berühmtesten Bilder an, deren Mittelpunkt das Jesuskind bildet: "Anbetung der Könige", ein Spätwerk des niederländischen Malers Rogier van der Weyden (1399/1400—1464). Dabei handelt es sich um die Mitteltafel eines Altars, der sich bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Kapelle der Kölner Pfarrkirche St. Kolumba befand.

Die alten niederländischen Maler kannten sich zwar oftmals in Italien aus, nicht aber in Kleinasien, dort, wo Jesus zur Welt kam. Deshalb hielten sie sich bei der architektonischen Ausgestaltung ihrer Bilder an das, was sie kannten: die eigene Heimat. So ist auch Rogier van der Weyden verfahren. Die Häuser im Hintergrund sind niederländisch-flandrischer Bauart, lediglich bei den Menschen lassen sich hier und da orientalische Züge erkennen. Im hintersten gemauerten Fensterbogen zum Beispiel ist eine Person mit dunkler Hautfarbe zu entdecken.

Die Geburt Jesu liegt schon ein paar Tage zurück, schließlich sind bereits die Heiligen Drei Könige eingetroffen, um dem Kind ihre Gaben darzubringen — jene Weisen aus dem Morgenland, welche die Weihnachtsgeschichte des Matthäus-Evangeliums erwähnt und die seither auch als "Könige" durch die christliche Überlieferung wandern. Auf van der Weydens Gemälde bilden sie die Spitze einer Prozession, deren Menschen sich allesamt in den kleinen, halb verfallenen Stall zu Bethlehem drängen. Der Stall — das sind hier Überreste eines romanischen Sakralbaus, in dem provisorisch Ochs und Esel untergestellt wurden. Dieser Ort bietet die Kulisse eines Auftritts, bei dem sich fast alle Augen auf das Neugeborene richten: rechts die Heiligen Drei Könige, links — etwas abseits — der rot gewandete Josef und in der Mitte die Muttergottes, in tiefes Blau gehüllt. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky nannte diese Gestalt "eine der sanftesten, doch königlichsten, die je gemalt wurden". Nur sie und ihr Sohn tragen einen Nimbus von Goldstrahlen um ihr Haupt.

Die Einbeziehung des Altar-Stifters in die Komposition (hier am linken Bildrand), das Blau der Maria und der abseits stehende, im Verhältnis zu Maria eine Generation ältere Josef, der ja nicht als leiblicher Vater des kleinen Jesus erscheinen darf — das alles sind Stereotypen der Darstellung von Christi Geburt, die sich bereits zu van der Weydens Zeit durchgesetzt hatten und die man als bekannt voraussetzen durfte. Eine Besonderheit dieses Christus-Gemäldes ist das Kruzifix am mittleren Pfeiler des Stalls: Gerade erst ist Jesus geboren, da wird ihm schon seine spätere Passion vor Augen gehalten, das qualvolle, stundenlange Sterben am Kreuz. Was auf van der Weydens Bild dagegen fehlt, sind Hirten, Schafe und der Verkündigungsengel. Diesen Zeitpunkt hat das Gemälde mit seinen Weisen aus dem Morgenland bereits hinter sich gelassen. Das Bild hängt heute in der Alten Pinakothek in München — an einem weltlichen Ort also, obwohl es als bildliche Anleitung zum Glauben gedacht war. Mittelalterliche Kunst ist durchweg religiös.

Die christliche Kunst leitete ihre Motive zunächst aus den Erzählungen des Matthäus- und des Lukasevangeliums sowie aus den apokryphen Kindheitsevangelien ab. Von den Darstellungen in den Katakomben des 3. Jahrhunderts bis weit in die Renaissance wurde die Geburtsszene mit der Verkündigung der Hirten und der Anbetung der Weisen verbunden. Der Stall kam im 4. Jahrhundert hinzu, ebenso Ochs und Esel, die auf Jesaja 1,3 zurückgehen: "Der Ochs kennt seinen Besitzer, der Esel seine Krippe." Wenn sie und die Heiligen Drei Könige sich auf ein und demselben Bild befinden, bedeutet das: Sowohl die höchsten als auch die niedrigsten Lebewesen beten das Kind an. Auch verkörperte der Ochse als reines Tier das jüdische Volk, das an das Gesetz gebunden ist, der Esel dagegen als unreines Tier die heidnischen Völker.

Zu Beginn der Darstellungen von Christi Geburt fehlte auf vielen Bildern Maria, noch häufiger Josef. Die Jungfrau Maria wurde neben ihrem Kind erst dann zum Schwerpunkt der Kompositionen, als das Konzil von Ephesus sie 431 als "Gottesgebärerin" bezeichnet hatte. Die wachsende Marienfrömmigkeit und die franziskanische Spiritualität hatten dann zur Folge, dass bereits in der Hochgotik die frühere, etwas distanzierte Haltung zwischen Maria und dem Jesuskind einer innigen Verbindung wich und damit natürlicher wirkte.

In diesem Zusammenhang bekam auch Josef eine aktivere Rolle. Auf der bekanntesten Darstellung von Christi Geburt, derjenigen von Giotto auf einem Fresko in der Cappella degli Scrovegni in Padua (Anfang 14. Jahrhundert), schläft Josef zwar, doch ist er durch seine Position in der Bildmitte ins Geschehen einbezogen. Im 14. Jahrhundert häuften sich Darstellungen, in denen Maria und Josef beiderseits des Kindes auf dem Boden sitzen. Gegen Ende dieses Jahrhunderts begannen die Maler die Szene dann auszuspinnen: Josef bereitet jetzt für Mutter und Kind ein Essen oder wärmt sich die Hände am Ofen. Auch als Windeltrockner macht er sich nützlich.

Die Spätgotik entwickelte die Geburtsszene zum Andachtsbild weiter mit der Aufforderung zur meditativen Betrachtung der Menschwerdung. Höhepunkte dieser Richtung sind das theologisch-spekulativ ausgestaltete Geburtsbild von Matthias Grünewald auf der zweiten Schauseite des Isenheimer Altars im heutigen Colmar und die Anbetung der Weisen von Albrecht Altdorfer.

Bei Grünewald, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, fehlen Josef und das übliche Vieh. Dafür kniet im Tempel auf der linken Seite eine zweite Maria. Etwa zur gleichen Zeit lässt Hieronymus Bosch über seiner Geburtsszene ein Fabelwesen schweben, das wie ein Seepferdchen aussieht. So hat das schier unfassbare Geschehen der Menschwerdung Gottes die Phantasie der Künstler entflammt. Sie wussten: Weihnacht ist auch eine Zeit des Wunders.

(RP)
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