Vor 100 Jahren wurde Louis de Funès geboren Nein! Doch! Oooh!

Düsseldorf · Vor 100 Jahren wurde nahe Paris Louis de Funès geboren. Er spielte tyrannische Chefs, feige Polizisten, nörglerische Feinschmecker und entwickelte mit seiner furiosen Grantelei einen Choleriker-Humor, den die Deutschen lieben.

Louis de Funès wäre heute 100 Jahre alt geworden.

Louis de Funès wäre heute 100 Jahre alt geworden.

Foto: afp, lab/ls/MS

Er war immer wütend. Immer kurz davor, die Fäuste in die Luft zu werfen, den napoleon-kleinen Körper nach vorn zu biegen und diesen Dreiklang der Empörung auszustoßen, dieses "Nein! Doch! Oooh!". Und dann verblüfft zu gucken, weil er gar nicht glauben wollte, was ihm da wieder geschehen war - welche Unzumutbarkeiten seine Angestellten oder Gendarmeriekollegen niederen Ranges wieder angerichtet hatten. Natürlich war Louis de Funès immer selbst der Schuldige. Das gehört zur Komik des Franzosen, der als giftiger kleiner Mann die Welt tyrannisierte. Und die liebte ihn dafür. Und lachte sich schlapp.

Louis de Funès ist der Komiker der 60er und 70er Jahre, jener humoristisch arglosen Zeit, als die Leute noch über kinderleichten Klamauk lachen konnten. Über Außerirdische, die Kohlsuppe nicht vertragen, oder "Kommissar Juve", dem "Fantomas" nicht ins Netz gehen will, oder über den Gendarm von St. Tropez, der bei der Suche nach einem Freiwilligen so lange abzählt, bis er selbst aus dem Spiel ist. Man lachte über einen Franzosen, der Grimassen schnitt und es im Verdutztsein zu wahrer Meisterschaft brachte. Die Mimik des Louis de Funès hat etwas Comic-haftes, sie ist so überzeichnet, dass es keine Missverständnisse geben kann - und zugleich so ausgefeilt, dass er keine Worte gebraucht hätte, um seine Geschichten zu erzählen.

Die sind im Kern so harmlos nicht. Denn sie handeln von Despotie und Duckmäusertum, von der Absurdität hohler Hierarchie. Oft ist de Funès das Rumpelstilzchen, das Respekt verlangt, obwohl es ihn nicht verdient. Seine Figuren verschaffen sich ihre Vorteile ja durch Gemeinheit und miese Tricks, sie missbrauchen die Macht ihrer Position. Das ist lustig, weil der Zuschauer sich moralisch überlegen fühlen kann und de Funès im Grunde die Überforderung verkörpert. Er genügt den Anforderungen seiner Positionen nicht, kann seine sozialen Rollen eigentlich nicht ausfüllen, sucht die Schuld aber nicht bei sich, sondern versucht, sie anderen in die Schuhe zu schieben. Oder die Leiche unter die Liebeslaube. Und dann muss er all seine Kreativität aufbieten, um das zu vertuschen.

Man bangt mit ihm, weil man diese Hässlichkeiten von sich selbst ja kennt, die Feigheit und das Neidischsein und das Vertuschenwollen. Mit de Funès kann man darüber lachen. Das zersetzt die Scham. Das befreit auf denkbar harmlose Weise. Er selbst hat es einmal so gesagt: "Man sollte versuchen, über Dinge zu lachen, die schmerzlich sind."

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Vielleicht war der Franzose, der vor 100 Jahren nahe Paris geboren wurde, so überzeugend, weil er die schmerzlichen Seiten des Lebens kannte und sich die Position als Chefkomiker seines Landes beharrlich erarbeiten musste. Jahrelang spielte er Nebenrollen, um die Familie über Wasser zu halten. In zweiter Ehe hatte er 1943 Jeanne Barthélemy de Maupassant geheiratet, eine Großnichte des Schriftstellers Guy de Maupassant. Das Paar hatte zwei Kinder und strebte jenes bürgerliche Leben an, das de Funès später auf seine so eigene Weise umfuchteln und zergranteln sollte. Erst 1964, als er 50 wurde, in einem Alter also, da andere ihre Karriere beenden, gelang ihm der Durchbruch. In nur vier Monaten spielte er in drei Filmen: als Hauptdarsteller in "Der Gendarm von Saint Tropez" und als Nebendarsteller in "Fantomas" und "Louis, das Schlitzohr". Alle Komödien wurden Kassenschlager und de Funès war auch in den kleineren Rollen auf so komische Art cholerisch, dass er sich sofort zur Marke machte. Danach drehte er fast manisch weiter. Er hatte den Fleiß und Ehrgeiz eines Einwandererkindes. Seine Eltern stammten aus Spanien, gehörten dort zum verarmten Adel und kamen auch in der neuen Heimat nicht recht auf die Füße. Der Vater versuchte sich als Diamantenhändler, ging nach Venezuela, starb aber an Tuberkulose. Da war Sohn Louis 20 Jahre alt, hatte von der Mutter das Klavierspielen gelernt, eine Kürschnerlehre abgebrochen und war von der Filmhochschule geflogen. Jobs als Zeichner, Dekorateur und Buchhalter folgten. 1941 nahm er dann Schauspielunterricht, begann den mühseligen Weg des Unbekannten in die Filmwelt.

De Funès achtete das Genre der Klamotte, er spielte mit der Präzision eines Komikers, der seine Kunst für ein Handwerk hält. Er wolle seine Mimik verbessern, bis sie jeder verstehe, hat er mal in einem Interview gesagt. Da liefen die Leute längst wegen ihm ins Kino. Da hatte er den Familienbesitz seiner Frau zurückgekauft, ein Schloss mit 30 Zimmern, in dessen Park er Rosen züchten konnte. Das war seine Leidenschaft. In seinen Blumenbeeten konnte er Ordnung schaffen, jene Ruhe schöpfen, die einer braucht, der vor der Kamera stets zu schnell im niedrigen Gang fährt, der wibbelt, palavert, gestikuliert, als ginge es um sein Leben. Sein Herz hat das irgendwann nicht mehr mitgemacht. 1974 erlitt de Funès den ersten Infarkt, kämpfte sich zurück vor die Kamera, doch neun Jahre später traf ihn der zweite. Louis de Funès starb im Alter von 68 Jahren.

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Ob er einmal eine Tragödie spielen wolle, ist er mal gefragt worden. Dazu sei er zu klein, gab er zur Antwort, das sei ja die Tragödie. So bleibt er unvergessen als der König der Klamotte. Darin war er groß.

(RP)
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