Düsseldorf Rassistische Attacken auf Theatermacher

Düsseldorf · Die Angriffe reichen von Hasskampagnen im Internet bis zu Morddrohungen gegen Regisseure. Der Bühnenverein ist besorgt.

Er hat einen "Schlepper-Kongress" abgehalten - eine satirische Kunstaktion, um auf die verfehlte Einwanderungspolitik in Europa hinzuweisen. Außerdem hat der Intendant der Münchner Kammerspiele geflüchtete Schauspieler an sein Theater geholt. Und das hat Matthias Lilienthal nicht nur Kritik auf politischer Ebene eingetragen, sondern auch Hassmails, Beschimpfungen, Drohungen. "Ich komme aus dem Anything-Goes-Berlin, darum haben mich die Reaktionen überrascht", sagt Lilienthal. Eingeschüchtert haben sie ihn nicht. "Nach einer Morddrohung, die mich zuhause erreichte, habe ich drei Tage lang die Tür abgeschlossen, dann war das wieder vergessen. Politiker sind solchen Drohungen ja schon länger ausgesetzt, jetzt trifft es auch Theaterleute, das müssen wir riskieren."

Riskiert hat es auch der Autor und Regisseur Falk Richter, der an Schauspielhäusern in ganz Europa arbeitet und in Düsseldorf Hausregisseur war. An der Berliner Schaubühne hat er sich in seinem Stück "Fear" auf der Folie von Shakespeares Tyrannendrama "Richard III." mit rechtsnationalen und fundamentalchristlichen Gruppen in Deutschland auseinandergesetzt - nicht nur abstrakt. Wortführer wie Beatrix von Storch von der AfD kommen vor. Daraufhin gab es anonyme Drohanrufe beim Theater, eine Kampagne im Internet, Morddrohungen gegen den Regisseur, und von Storch versuchte, gerichtlich gegen die Inszenierung vorzugehen - vergeblich.

Theater ist immer auch ein Spiegel der Gegenwart. An zahlreichen Bühnen der Republik hat sich die Debatte über Zuwanderung im Spielplan niedergeschlagen - in der Auswahl der Stücke, dem Zugriff auf die Stoffe, flankierenden Podiumsdiskussionen. Manche Bühnen werden auch konkreter, erarbeiten Stücke mit Geflüchteten, verschaffen Migranten auf der Bühne Gehör. In NRW stößt das in den meisten Städten auf positive Resonanz. Am Jungen Schauspielhaus in Düsseldorf etwa gibt es seit Monaten das "Café Eden", einen gut besuchten Treffpunkt für alte und neue Bürger der Stadt, in dem auch Stücke erarbeitet werden. Widerstände gab es bisher nicht. Auch das Theater Oberhausen, das sich in Inszenierungen mit Themen wie Flucht oder Abschiebung beschäftigt, hat bisher keine ablehnenden Reaktionen erhalten.

In anderen Teilen der Republik sieht das anders aus. Als Schauspieldirektor Bernhard Stengele am Landestheater Altenburg in Thüringen die Paraderolle des "Hauptmann von Köpenick" mit Ouelgo Téné besetzte, einem dunkelhäutigen Schauspieler aus Burkina Faso, gab es Boykottaufrufe. Der Schauspieler wurde beschimpft, bedroht - und kündigte seinen Vertrag vorzeitig. Wegen negativer Erfahrungen in der Stadt verließen nach ihm weitere ausländische Schauspieler das Ensemble.

Einzelfälle sind das nicht mehr, und so zeigt sich auch der Deutsche Bühnenverein besorgt. "Wir nehmen diese Vorfälle sehr ernst", sagt Marc Grandmontagne, Direktor des Deutschen Bühnenvereins. "Es geht zurzeit darum, die komplexen und auf Kompromiss ausgelegten Errungenschaften der freiheitlichen Demokratie zu bewahren und zu schützen. Und auch darum, Andersdenkende oder Zweifelnde von den Chancen eines Miteinanders statt Gegeneinanders zu überzeugen."

Der Bühnenverein tut das konkret: Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters in Berlin und Bühnenvereins-Präsident, reist in dieser Woche zu Podiumsdiskussionen nach Magdeburg, Stuttgart und Heidelberg. In allen Städten hatte es Auseinandersetzungen um kulturelle Vielfalt auf der Bühne und in der Gesellschaft gegeben. Auch seine Jahreshauptversammlung im Juni in Dresden wird der Bühnenverein nutzen, um für den Schutz der Kunstfreiheit auf und hinter der Bühne einzutreten.

Und es trifft nicht nur das Sprechtheater. Auch vermeintlich harmlose Film-Komödien wie "Willkommen bei den Hartmanns" können Angriffe von Rechts provozieren, wie Regisseur Simon Verhoeven feststellen musste. Obwohl in dieser harmlosen Familien-Flüchtlings-Satire Neonazis genauso lächerlich gemacht werden wie gutmeinende Flüchtlingshelfer, wurde der Film im Netz als "Propaganda zur Umerziehung der Bevölkerung" diffamiert und erhielt Bewertungen dieser Art in Filmbewertungsforen. Allerdings ließ sich die Mehrheit der Deutschen davon nicht beirren, der Film wurde mit mehr als 3,5 Millionen Zuschauern zum erfolgreichsten des vergangenen Jahres.

Beim Theater haben es Vertreter rechter Positionen vor allem auf Theaterformen abgesehen, die Migranten einbeziehen oder für eine offene Gesellschaft eintreten. Sie wettern gegen die "Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert", wie es im Partei-Programm der AfD heißt.

Es geht bei den Angriffen auf Theatermacher also eigentlich darum, eine geschlossene Weltsicht zu propagieren, Kunst auf gewisse Zwecke zu verpflichten und ideologisch festzulegen, was als Kunst gelten darf - und was nicht. "Das Theater hat in den vergangenen Jahrhunderten viel zur Nationalfindung beigetragen", sagt Lilienthal. "Darum reizt es rechte Kreise, wenn Theatermacher wie ich ihre Position nutzen, um den Leuten zu zeigen, dass Nationen nicht homogen sind, sondern, dass wir in kultureller Vielfalt leben."

Es geht also längst nicht mehr um ästhetische Fragen. Es geht um die Freiheit der Kunst und um Einschüchterung von Künstlern. Keine gute Zeit, in der es Mut kostet, zeitgenössisches Theater zu machen.

(dok)
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