Vernetzt und kabellos Jetzt wird auch das Fahrrad digital

Düsseldorf · Nicht nur Autos sind mittlerweile rollende Hightech-Zentralen, auch Fahrradfahrer können technisch ganz schön aufrüsten, sei es ein Umfeldradar oder die Datenbrille. Jedoch sind die Systeme teils noch nicht ausgereift oder wirken etwas überdosiert. Und sie bergen neue Probleme, die man beim Zweirad bisher nicht kannte. Ein Überblick.

Das Fahrrad wird digital
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Foto: dpa, loe

Fahrerassistenzsysteme - das Wort ist in aller Munde, und man denkt dabei an Autofahrer. Doch die elektronischen Helfer sind kein Privileg der Pkw. Die Vernetzung hat auch bei den Fahrrädern eingesetzt. Ganz unproblematisch ist die Digitalisierung beim Zweirad allerdings nicht.

"Das Vernetzungsthema ist für Nerds spannend", sagt Gunnar Fehlau vom Pressedienst-Fahrrad (pd-f) in Göttingen. So haben viele angebotene Lösungen zwar einen hohen Anspruch, sind aber noch nicht ausgereift.

Beispiel Navigation: Auf dem Markt gebe es bereits einige Apps fürs Smartphone mit weltweitem Kartenmaterial für um die 30 Euro. Doch die Qualität sei oft durchwachsen, wenn etwa Wege angezeigt würden, die es nicht mehr gibt. Das Pflegen der digitalen Karten jenseits von Autobahn und Bundesstraße sei sehr aufwendig. "Den Komfort wie beim Auto haben wir noch lange nicht", sagt Fehlau.

"Im Bike-Bereich stehen wir vor der Herausforderung, dass es eine unglaubliche Anzahl an Feld- und Fahrradwegen, Pfaden et cetera gibt, die neben dem normalen Straßennetz eine Relevanz für die Radfahrer haben", erläutert Peter Weirether vom Navi-Hersteller Garmin.

So wird aus einem Fahrrad ein E-Bike - in 60 Sekunden
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Foto: GeoOrbital

Wie in vielen anderen Lebensbereichen ist auch beim Fahrrad das Smartphone ein Dreh- und Angelpunkt der Vernetzung geworden. Es dient mit entsprechender Software als Navi und erstellt Höhenprofile von Strecken.

Die kleinen Alleskönner fungieren als virtuelle Trainer, um selbst gesteckte Ziele bei der Trittleistung zu erreichen, die über Sensoren an den Pedalen gemessen werden. Und sie finden den Weg in die sozialen Netze. Einige Hersteller haben Systeme im Angebot, mit denen über eine App aufgezeichnete Touren mit Freunden geteilt werden. So können virtuelle Wettkämpfe angetreten werden.

Die Digitalisierung hat auch die Schlösser erreicht. Dabei fungiert in der Regel eine Handy-App als Schlüssel. Sie verbindet sich per Bluetooth mit dem vernetzten Schloss und kann es öffnen. Die britische Firma BitLock sieht in ihrem digitalen Schloss auch ein Mittel zum Bikesharing, denn über die App können andere Nutzer autorisiert werden, das Schloss ebenfalls zu entriegeln.

Auch dem Berliner Start-up Clyc schwebte eine Art "Airbnb für Fahrräder" vor, als es 2013 mit einem ähnlichen Produkt von sich reden machte. Doch bislang zählt die Community laut Clyc-Webseite nur gut 5000 Teilnehmer. Das Misstrauen ist womöglich noch zu groß. Zumindest Experte Fehlau ist skeptisch: "Einem digitalen Schloss würde ich nie vertrauen." Hacker könnten auf den Plan treten.

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Foto: Thomas Bußkamp, RP

Eine weitere Hürde ist der Energiebedarf: Wenn der Handyakku leer ist, lässt sich das Schloss nicht mehr ohne weiteres entriegeln. Das Problem betrifft aber auch andere Geräte. Und je mehr schlaue Technik am Rad verbaut wird, umso mehr steigt der Energieverbrauch.

Einen "Zielkonflikt" nennt Weirether das. Bei der Produktentwicklung habe eine möglichst lange Batterielaufzeit deshalb hohe Priorität. Bereits auf dem Markt ist ein USB-Ladegerät von Siva Cycle zur Montage am Rahmen, das Drehmoment an der Achse abgreift und in Strom verwandelt.

Andere Systeme lösen zwar das Batterieproblem nicht, gehen aber in eine Richtung, die man vom Auto kennt: Garmin bietet sein 300 Euro teures Varia Radar an. Über den mit einer Radareinheit vernetzten Fahrradcomputer bekommt der Radler angezeigt, wenn sich von hinten Fahrzeuge nähern - bis zu einer Distanz von 140 Metern. Parallel werden diese durch ein stärker leuchtendes Rücklicht auf den Pedaltreter aufmerksam gemacht.

Eine Art Head-up-Display hat Garmin ebenfalls im Programm. Es wird an der Radbrille befestigt und zeigt gekoppelt mit dem Radcomputer Hinweise etwa zu Navigation, Schnelligkeit oder Herzfrequenz an. Ein Konkurrenzprodukt für sportlich ambitionierte Radler ist die Smart-Brille Recon Jet mit GPS, WLAN, Bluetooth- und Funkschnittstelle. Garmin-Manager Weirether sieht in solchen Lösungen einen Beitrag zur Fahrsicherheit: Unterwegs müsse man nicht mehr "ständig den Blick auf den Computer senken".

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Foto: SP-X

Der Fahrradhersteller Bulls hat auf der Eurobike 2015 einen E-Bike-Prototypen mit einer sogenannten On-Board-Unit vorgestellt. Sie beherrscht Bluetooth, GPS und hat eine SIM-Karte. Sensoren können einen Unfall erkennen, wenn das Rad liegt, und setzen im Notfall eine SMS ab, die Ortungsdaten enthält. Oder sie registrieren Verschleiß an Bremse, Antrieb und Akkus. Alle Bestandteile des vernetzten Fahrrads seien ab kommendem Jahr verfügbar, verspricht Bulls.

Spätestens aber, wenn das autonome Auto kommt, sind neue Probleme zu erwarten, prognostiziert Gunnar Fehlau. Er sieht ein Dilemma, wenn solche Autos in Unfallsituationen ausweichen und sich dabei entscheiden müssten, mit wem sie kollidieren - dem Auto auf der Gegenspur oder dem Radler auf der Fahrradspur. "Vorbeugend könnten sich Fahrradfahrer mit Computerchips ausrüsten, die auch das Auto frühzeitig erkennt." So weit ist die Entwicklung aber noch nicht.

(dpa)
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