Fahrbericht: Honda F6C "Haben wollen!"

Frankfurt · Eine Honda mit der dürren Modellbezeichnung F6C gab es schon mal zwischen 1997 und 2004. Jetzt kommt ihre legitime Nachfolgerin. Wie einst, reißt sie Männer mit Sinn für Six-Appeal ratzfatz in ihre Arme und lässt sie nicht mehr los.

Honda F6C - dieses Motorrad steht über allen anderen
7 Bilder

Honda F6C - dieses Motorrad steht über allen anderen

7 Bilder

"Flat Six Custom" bedeutete die Modellbezeichnung F6C einer mächtigen Honda, die Anfang 1997 auch nach Deutschland kam. Unter Flat Six ist ein Sechszylinder-Boxermotor zu verstehen. Im Großserienmotorradbau hatte man ein solch massives Motorrad vorher noch nie gesehen.

Sechs Zylinder, 1.520 Kubikzentimeter Hubraum, fast 1,70 Meter Radstand und ein Gewicht auf Harley-Niveau, dazu potente 98 PS — das war vor 17 Jahren was.

Jetzt präsentiert Honda ein völlig neues Motorrad, das exakt die seinerzeitige Modellbezeichnung trägt: Wieder sechs Töpfe, aber 1.832 Kubik Hubraum, dazu deutlich stärker, nur wenig schwerer, mit weitaus besserem Fahrwerk — und mit derselben Faszination wie anno dazumal.

Mit dem Motorrad durch Südkalifornien cruisen
11 Bilder

Mit dem Motorrad durch Südkalifornien cruisen

11 Bilder

"Haben wollen!" ruft der Tester unüberhörbar für Passanten am Straßenrand nach nur 20 Metern Fahrt, in denen er schon den zweiten Gang eingelegt hat und exakt dieselben Empfindungen verspürt wie vor 17 Jahren. Die Faszination der Ur-F6C ist wieder auferstanden.

Nur in Schwarz, wie einst Henry Ford es für sein A-Model vorschrieb, gibt es die neue F6C. Sie sieht in Graphite Black irgendwie unzugänglich und unfreundlich aus, zeigt mit ihren seitlich montierten und verkleideten Wasserkühlern, die nach vorne spitzen, eine Frontmaske, als zöge sie die Stirn in schrecklich böse Falten. Anziehend ist anders. Will etwa irgendjemand ein so abweisend ausschauendes Motorrad haben?

Ja, ich! Denn wer einmal auf, nein: in der F6C Platz genommen und das — Verzeihung — affengeile Sechszylinder-Triebwerk durch Knopfdruck zum Leben erweckt hat und dabei nicht erschauert, der kann nur völlig blutleer sein.

Im Leerlauf erinnert der Flat-Six ein wenig an einen lastfrei blubbernden V8, bei höheren Drehzahlen ist er nicht weit vom Kreischen alter luftgekühlter Neun-Elfer entfernt (die Ur-F6C beherrschte diese Disziplin, jedenfalls in meiner Erinnerung, allerdings noch besser). Diese Symphonie stellt mir jedenfalls auch heute noch die verbliebenen Haare auf.

Moto Guzzi V7: Fahrvergnügen mit 48 PS
8 Bilder

Moto Guzzi V7: Fahrvergnügen mit 48 PS

8 Bilder

Womit jetzt schon klar ist: Eine Honda F6C, Abkömmling der legendären Goldwing, lässt sich nicht nach dem üblichen Schema beurteilen: Motor, Fahrwerk, Bremsen, Ergonomie, Ausstattung, Verarbeitung - schnödem Vergleichen entzieht sie sich.

Die F6C steht allein, und zwar über allen anderen. Wer sonst baut so ein Viech? Klar, Triumph hat seine dreizylindrige Rocket, und die bringt mit ihren 2,3 Litern Hubraum sogar noch mehr Drehmoment (221 Nm gegen 168 der Honda) und mit 148 PS sogar 31 PS mehr Spitzenleistung als die Honda mit 117 Pferdestärken (86 kW), aber sie wiegt halt nochmal 25 Kilo mehr.

Das Schlimmste: Ihr fehlen drei Zylinder. Denn die Sechs der Honda, die bringen es! Blitzschnell geht's bei Bedarf durchs Drehzahlband, seidenweich läuft die Maschine. Im dritten Gang bergauf anfahren — kein Problem. Mit Tempo 30 im Vierten rechtwinklig abbiegen — auch keines. Stets nimmt der Flat-Six sauber Gas an, hört auf den Dreh des Fahrers am Gasgriff und folgt wie ein perfekt trainierter Blindenhund. Bei Bedarf zieht die F6C im großen, fünften Gang des Fahrers Arme lang, dass diesem zwar das Sehen, des tönenden Sixpacks wegen aber glücklicherweise nicht das Hören vergeht.

Monströs - die Ducati Monster 1200S
7 Bilder

Monströs - die Ducati Monster 1200S

7 Bilder

Genug des Lobs für das Triebwerk. Doch noch nicht genug des Lobs für die F6C. Denn erstaunlicherweise lassen sich die 342 Kilogramm plus Fahrer unglaublich leicht beherrschen, egal ob bei Unterschritttempo oder bei fast 200 km/h. Honda ist es in bester Firmentradition auch bei der F6C gelungen, das Fahrwerk blitzsauber abzustimmen, ohne bei den Bauteilen technisch tief in die Trickkiste greifen zu müssen.

Auch Kurvenfahren fällt unerwartet leicht, solange die Biegungen nicht im Halbsekundentakt aufeinander folgen. Und bremsen kann die F6C auch ganz prima: Zwar erstaunlicher Weise ohne Kombi-Bremssystem, wie es Mütterchen Goldwing aufweist, aber dennoch ganz ausgezeichnet. Drei mächtige Bremsscheiben sowie insgesamt elf Bremskolben sind eine Bank.

Ganz anders als einst vor 17 Jahren fällt der Blick des Fahrers auf nur noch ein einziges (Digital-)Instrument; damals gab's zwei, und die waren rund. Leichter ablesbar waren sie auch. Aber zugegeben: Wirklich nötig auf der F6C ist nur die Angabe der aktuellen Geschwindigkeit, alles andere (Uhrzeit, Drehzahl, Umgebungstemperatur, Durchschnittsverbrauch, Reifendruck, Servicetermin…) interessiert unterwegs nicht die Bohne.

Hey, ich bin mit einer F6C unterwegs! Ich sitze unangestrengt, weiß um das Vorhanden sein von LED-Leuchten vorne und hinten und will doch nur eines: Weiter, immer weiter…

Auf den Boden bringt mich dann wieder — man ahnt es — der Preis. 21.345 Euro sind ein Wort. Die gute Nachricht: Es sind aber auch rund 10.500 Euro weniger als eine Goldwing kostet. Und eines ist sicher: Auch wenn die dicke Wing mehr Komfort, mehr Ausstattung und mehr Platz für Sozias jedweder Statur offeriert: Mehr Erlebnis bietet die F6C.

Technische Daten Honda F6C

Motor: Flüssigkeitsgekühlter Sechszylinder-Viertakt-Boxermotor, zwei Ventile pro Zylinder, 1.832 ccm Hubraum, 86 kW/117 PS bei 5.500 U/min., 168 Nm bei 4.000 U/min; Einspritzung, 5-Gang-Getriebe, Kardan.

Fahrwerk: Aluminium -Brückenrahmen; 45 mm Telegabel, 121 mm Federweg; Aluminiumguss-Einarmschwinge mit integriertem Kardan, Mono-Federbein (Vorspannung einstellbar) hinten, 105 mm Federweg; Aluminiumguss-Räder; Reifen 130/60-19 (vorne) bzw. 180/55-17 (hinten). 310 mm Doppelscheibenbremse vorne, 316 mm Einscheibenbremse hinten; Zweikreis-ABS.

Maße und Gewichte: Radstand 1,705 m, Breite über Lenker 0,94 m, Sitzhöhe 0,734 m, Gewicht fahrfertig 342 kg, Zuladung 182 kg; Tankinhalt 22,9 l.

Preis: 21.345 Euro inkl. Nebenkosten

("")
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort