Preiskampf an den Tankstellen Täglicher Poker um die Benzinpreise

(RP). Steigende Dieselpreise und die Rückkehr des alten Super 95 sorgen bei den Tankstellenpächtern für Unmut. Ihr größtes Ärgernis aber ist: Die Preise für Benzin und Diesel schwanken an einem Tag um mehrere Cent. Für die einen steckt Wettbewerb dahinter, für die anderen unerlaubte Preisabsprache.

Checkliste: Fragen und Antworten zu E10
Infos

Checkliste: Fragen und Antworten zu E10

Infos
Foto: AP

144,9 Cent für den Liter Diesel, 154,9 Cent für den Liter Benzin. Die Preise an der Total-Tankstelle am Ostring in Goch sind gesalzen — wie im ganzen Land. "Das ist der Wahnsinn", flucht Hermann-Josef Hebben aus Kevelaer. An hohe Spritpreise hat sich der 54-Jährige dabei schon fast gewöhnt.

Doch seit einiger Zeit macht den Kevelaerer und andere Autofahrer ein weiteres Ärgernis wütend. "Nun schwanken die Preise gar innerhalb eines Tages um sechs, sieben, manchmal zehn Cent", meint Hermann-Josef Hebben. "Was da passiert, kann doch nur reine Profitgier sein."

Täglich erboste Kunden

Horst Broekmann, "Senior-Chef" der Total-Tankstelle am Gocher Ostring, hört solch erboste Kundenreaktionen täglich. Er bestätigt: So extrem viele und starke Schwankungen im Verlauf eines Tages gab es noch nie. "Wir mussten an einigen Tagen zehnmal den Preis ändern", sagt der 66-Jährige. Dagegen seien die Ankündigungen über steigende Dieselpreise oder der Wirbel um E 10 und die Rückkehr des alten Super 95 "geringfügige Ärgernisse", sagt Broekmann.

Die Pächter aber sind schuldlos an der Situation. "Wir müssen jeden Tag mehrfach umliegende Tankstellen abfahren, uns die Preise notieren und die an die Total-Zentrale in Berlin durchgeben", erklärt Horst Broekmann. Für ihn bedeuten diese Kontrollen bei der Konkurrenz nicht nur eine Rundtour zu den anderen Gocher Tankstellen, sondern auch Abstecher in die jeweils etwa zehn Kilometer entfernten Nachbarorte Uedem und Weeze.

Nach oben, nach unten

Hat die Konkurrenz andere Preise, ändert die Total-Zentrale den Spritpreis an Broekmanns Zapfsäulen — mal nach oben, mal nach unten. Andere Mineralölgesellschaften und freie Tankstellenbetreiber handeln genauso. Ein ständiges Auf und Ab des Preises ist dann die Folge. "Am Ende ist der Preis immer ein, zwei Cent höher als vor dem Auf und Ab", sagt Felix Roeder von der "freien" BFT-Tankstelle in Goch.

Alle wollen auf dem derzeit hohen Preisniveau möglichst günstig Kraftstoff anbieten, aber dennoch nicht in die roten Zahlen kommen. "Bei benachbarten Tankstellen bedeutet ein Unterschied von einem Cent 20 Prozent weniger Kunden, ein Unterschied von zwei Cent 33 Prozent weniger Kunden", sagt Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Tankstellengewerbes. Viele Kunden bringen nicht nur Gewinn beim Benzinverkauf, sie geben auch Geld in den Shops der Tankstellen aus. "Dort wird mehr als 50 Prozent des Ertrages erzielt", sagt Karin Retzlaff vom Mineralölwirtschaftsverband.

Hamsterkäufe und Spekulationen

Das derzeit hohe Niveau der Benzinpreise lässt sich laut Matthias Knobloch, Leiter Verkehrspolitik beim Automobilclub Europa (ACE), mit der aktuellen Gefahrenlage im arabischen Raum, entsprechenden Hamsterkäufen und Spekulationen erklären. Für die extremen Tagesschwankungen gilt dies jedoch seiner Ansicht nach sicher nicht.

Sie lösen bei Knobloch Unverständnis aus. Während der Mineralölwirtschaftsverband in den Schwankungen einen Beweis für extremen Wettbewerb auf dem Markt sieht, hält der ACE-Experte sie eher für eine Preisabsprache. "Es ist nicht einsehbar, warum die eine Gesellschaft den Preis erhöht, wenn die andere dies getan hat. Mehr Kunden hätte sie doch, wenn sie den niedrigeren Preis halten würde." In gewisser Weise werde dies vom Kartellamt bestätigt.

Marktbeherrschendes Oligopol

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, das seit mehr als zwei Jahren den Benzinmarkt unter die Lupe nimmt, hatte kürzlich erklärt: "Wir gehen davon aus, dass die Sektoruntersuchung am Ende unsere Schlussfolgerungen zu einem marktbeherrschenden Oligopol für die Branche untermauert." Unter einem Oligopol verstehen Wirtschaftswissenschaftler einen Markt, den wenige Anbieter bestimmen.

Das Kartellamt prüft, ob immer dieselben Unternehmen bei Preiserhöhungen vorpreschen. Laut Mineralölwirtschaftsverband stoßen "oft" die großen Gesellschaften Aral und Shell — sie betreiben jeweils mehr als 2200 der etwa 14.800 Tankstellen in Deutschland — Preiserhöhungen an. Der Präsident des Kartellamtes schließt Verfahren gegen die Mineralölanbieter nicht aus.

Regulierende Maßnahmen ergreifen

ACE-Experte Knobloch hält die Möglichkeiten der Wettbewerbsschützer jedoch für begrenzt. "Falls der Benzinpreis weiter steigt, wird letztlich politisches Handeln nötig sein", sagt er. Wie auf dem Gasmarkt müssten regulierende Maßnahmen ergriffen werden.

Für Horst Broekmann und seine Kollegen bedeutet der tägliche Poker um den Benzinpreis zusätzliche Kontrollfahrten und verärgerte Kunden. Ob der Liter 160 oder 145 Cent kostet, spielt für sie keine Rolle. Tankstellenpächter erhalten eine Provision pro verkauftem Liter, unabhängig vom Preis. Broekmann, seit 45 Jahren in der Branche, nimmt's mit Humor: "Richtig schlimm wär's, wenn wir bei jeder Preisänderungen wie früher auf die Leiter klettern müssten, um die neuen Preise an den Mast zu hängen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort