Sprechstunde Anhaltende Erschöpfung

Viele Menschen, die an einer chronischen Erkrankung leiden, haben mit dem Fatigue-Syndrom zu tun. Sie sind dauernd müde.

Unsere Leserin Petra B. aus Kaarst fragt: "Eine Freundin ist seit 20 Jahren an Multipler Sklerose erkrankt. Jetzt hat der Arzt bei ihr ein Fatigue-Syndrom diagnostiziert. Was ist das?"

Rafael-Michael Löbbert Der Begriff "fatigue" stammt aus dem Französischen und bedeutet Müdigkeit oder Erschöpfung. Er beschreibt eine Ansammlung unterschiedlicher Symptome bei chronischen Krankheiten wie Multiple Sklerose (MS), Morbus Parkinson, aber auch Stoffwechsel- und Krebserkrankungen, chronischen Entzündungen oder Infektionen. So leiden etwa 70 bis 90 Prozent der MS-Patienten, 43 bis 60 Prozent aller Parkinson-Patienten und mehr als 90 Prozent der Krebspatienten unter einer Fatigue.

Die Betroffenen klagen dabei über eine anhaltende Müdigkeit und eine körperlich-geistige Leistungsminderung, die auch durch Ruhepausen und Schlaf nicht ausreichend gebessert werden kann. Dabei besteht eine allgemeine Schwäche mit Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Antriebs- und Motivationslosigkeit, vermehrter Reizbarkeit. Selbst normale Verrichtungen wie Zähne putzen, Haare kämmen oder Telefonieren können zu einer unüberwindlichen Qual werden. Die Folge sind Einschränkungen im Alltag, also im Beruf, in der Familie und im sozialen Leben, mit sozialem Rückzug und zunehmender Isolation.

Die Wahrscheinlichkeit einer Fatigue nimmt mit dem Alter zu, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die genauen Ursachen der Fatigue sind noch nicht geklärt. Es wird angenommen, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen.

Die Diagnosestellung ist schwierig. Sie umfasst eine sorgfältige Anamnese mit Fragen nach Beeinträchtigungen im Alltag, Einnahme von Medikamenten, Schlafverhalten, Konsum von Koffein, Alkohol, Nikotin und Drogen. Auch familiäre und soziale Belastungsfaktoren müssen berücksichtigt werden. Dabei können standardisierte Fragebögen zum Einsatz kommen. Eine körperliche und psychische Befunderhebung sowie eine Blutuntersuchung schließen sich an. Falls erforderlich, erfolgt eine weitergehende Diagnostik.

Die Behandlung der anhaltenden Erschöpfung ist abhängig von der möglichen Ursache. Ist sie bekannt, kann eine symptomatische Therapie erfolgen. Für alle anderen Formen gibt es bisher kein einheitliches Therapiekonzept. Versuchsweise werden Betroffene mit Antidepressiva behandelt. Derzeit laufen Studien zum Einsatz von Psychostimulanzien. Daneben kommen nicht-medikamentöse Maßnahmen zum Einsatz. Hierzu zählen Psychotherapie, Ernährungsberatung, Entspannungsverfahren und körperliches Training unter Anleitung.

(RP)
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