Wo "tall" klein ist Coffee to go — eine sprachliche Katastrophe

Es ist nicht originell, über Coffee to go zu schimpfen, aber es muss sein.

Das kulturpessimistische Gejammer kommt später im Text, zunächst mal ein paar Fakten: Jeder vierte Kaffee in Deutschland wurde 2013 außerhalb der eigenen vier Wände zubereitet und getrunken. 111.943 Tonnen insgesamt. An Tankstellen und bei Burgerbratern, bei Billigbäckern und teuren Coffee-to-go-Ketten.

Die berühmtest-berüchtigste davon hatte selbst in der seit 1420 bestehenden "Verbotenen Stadt" Pekings sieben Jahre lang eine Filiale, bis sie 2007 den Protesten nachgeben musste und sich von dort zurückzog. Aber keine Sorge, 19.767 Filialen mit dem grünen Meerjungfrau-Logo gibt es immer noch.

Zu recht beklagt etwa Greenpeace auch "Ressourcenverschwendung und erhöhtes Abfallabkommen" durch die Becher, die sich kaum für Recycling eignen.

Getrunken wird "Coffee to go" beim Warten und im Gehen. Manchmal genossen vielleicht, meist aber hinuntergekippt, als zähle jede Sekunde. Fast Food eben. Gesund ist das nicht, aber immerhin besser, als vor lauter Unlust zum Verweilen für ach so lange fünf Minuten überhaupt kein Koffein zu sich zu nehmen und am Steuer einzuschlafen.

Wer bei Google nach "coffee to go" sucht, erhält bei den verwandten Suchanfragen die Vorschläge "coffee to go englisch" und "coffee to go übersetzung". Bedeutet das nun das Nahen der Apokalypse oder doch das Gegenteil? Eigentlich sollte sich die Bedeutung des "to go" ja jedem erschließen. Andererseits: Schaden kann die Erinnerung an die simple Bedeutung des Ausdrucks nicht. Zeit würde es ja allemal, dass kein Cafébesitzer mehr "coffee to go zum Mitnehmen" anbietet. Oder eine Tasse Café in seinem Kaffee. Oder oder oder.

Der bekanntesten Kette passiert dergleichen natürlich nicht. Weil man dort keine halben Sachen macht, hat Starbucks dafür gleich seine eigene Sprache erfunden. In der bedeutet "tall" klein. Und "grande" mittelgroß. Wer einen großen Kaffee will, bestellt mit dem einzigen Ausdruck, den man auf Anhieb nicht mit etwas Großem assoziiert — "venti".

Italienisch für "zwanzig". Weil eine große Kaffeetasse rund 592 Milliliter fasst. Oder anders ausgedrückt: zwanzig Unzen. Im angloamerikanischen Maßsystem. Das in Italien nie benutzt wurde.

Und das alles nur, weil man ganz offensichtlich niemandem zumuten will, einen "kleinen" oder "mittleren" Kaffee bestellen zu müssen. Oder gar — Gott bewahre, die Kalorien! — einen "extra-großen". So zeigt sich am Kaffee einmal mehr: Die Werber haben gesiegt.

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