Dinslaken Kerzen für jüdische Waisenkinder

Dinslaken · Am Mahnmal im Park gedachten die Menschen der Opfer der Pogromnacht vor 74 Jahren.

 Kerzen für die jüdischen Waisenkinder stellten die Jugendlichen des Dinslakener Berufskollegs gestern am Mahnmal im Stadtpark ab.

Kerzen für die jüdischen Waisenkinder stellten die Jugendlichen des Dinslakener Berufskollegs gestern am Mahnmal im Stadtpark ab.

Foto: martin Büttner

Wieder Glockengeläut, leise Musik, Gebete und Schweigen. Wieder brannten am Mahnmal im Stadtpark Kerzen. Und doch war bei der gestrigen Gedenkstunde für die verfolgten, vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürger Dinslakens etwas anders. Auf jedem der 25 roten Grablichter, die die Schülerinnen und Schüler des Dinslakener Berufskollegs angezündet hatten, stand der Name eines der jüdischen Waisenkinder, die in der Nacht auf den 10. November 1938 von den Nazis auf einen Leiterwagen gepfercht und aus der Stadt gejagt worden waren. Und jeder einzelne wurde laut ausgesprochen. "Wir erinnern uns an Kurt, Klara, Max, Fritz, Berta und Adelheid", sagten die Jugendlichen, "an Heinz, Ruth, Josef-Felix und Joachim, an Sarah, Hans, Ida und Oskar ..." Die Aufzählung war betont nüchtern gehalten, und gerade deshalb hatten der Bürgermeister, die Schüler, Lehrer, Kirchenvertreter, Politiker und Bürger, die an der Gedenkfeier teilnahmen, Gelegenheit, über jeden einzelnen kurz nachzudenken. So funktioniere Erinnerungsarbeit lobte Pfarrer Gerhard Greiner die Aktion der Berufsschüler. So hole man die Opfer aus der Anonymität.

Wie wichtig das auch heute, 74 Jahre nach der Schreckensnacht, in der die Nationalsozialisten auch in Dinslaken jüdische Geschäfte zertrümmerten und plünderten, Menschen verprügelten und die Synagoge in Brand setzten, noch ist, machte Pfarrerin Kirsten Wegmann deutlich. "Kaum einer von uns hat die Nazizeit bewusst erlebt. Wir leben in einer anderen Welt, in einem Land, in dem Sicherheit selbstverständlich ist." Dennoch sei rechtes Gedankengut noch allgegenwärtig. Dem müsse man etwas entgegensetzen. "Unsere Aufgabe heute ist es, dem zu widersprechen." Immer und unbedingt, damit sich Geschichte nicht wiederhole.

Eine gute Voraussetzung, dass braunes Gedankengut sich gar nicht erst in den Köpfen der Menschen festsetzen kann, ist gegenseitiger Respekt. Auch das sprachen die Berufsschüler aus. Wo Freiheit und Demokratie blühen und Menschen unterschiedlicher Religion Freunde sind, habe Rassismus keine Chance.

Zu einer Gedenkstunde gehören Gebete. Die Jugendlichen verpackten ihres in einen Song. Mehrstimmig sangen sie Justin Biebers "Pray", begleitet von zwei Gitarren. Pfarrer Greiner hatte eines aus Srebrenica mitgebracht. Dort wurden im Bosnienkrieges während eines Massakers im Juli 1995 rund 8000 Menschen getötet. Er habe kürzlich den Friedhof dort besucht und "eine große Verlassenheit gespürt". Das Gebet, das er vortrug, spendete Trost. Darin finden sich die Zeilen, dass aus Schmerz Hoffnung werde und aus den Tränen der Mütter Gebete. Gute Gedanken, um eine stille Feierstunde zu beenden. Die Menschen nahmen sie mit nach Hause.

(RP)
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