Nettetal Niediecks dachten um die Ecke

Nettetal · Den Gründervätern war die Enkelgeneration nicht mehr gewachsen. So verabschiedete sich die Familie schon in den 1920er-Jahren von dem Textilunternehmen. Ewald Meier hat ihre Geschichte erforscht.

 Nach dem Vortrag in der "Scheune" wurden die Niedieck-Gräber auf dem Lobbericher Friedhof besichtigt. Über Nachforschungen zu ihrer Entstehung kam der Landschaftspfleger Ewald Meier zur Erforschung der Familiengeschichte.

Nach dem Vortrag in der "Scheune" wurden die Niedieck-Gräber auf dem Lobbericher Friedhof besichtigt. Über Nachforschungen zu ihrer Entstehung kam der Landschaftspfleger Ewald Meier zur Erforschung der Familiengeschichte.

Foto: Busch

Ganz hinten in der Ecke des bis auf den letzten Platz besetzten Kursraumes des Textilmuseums "Die Scheune" saßen Benita-Maria von Heimendahl und ihr Sohn Hannes. Sie hörten aufmerksam zu, als Ewald Meier Aufstieg und Fall der Unternehmerfamilie Niedieck nachzeichnete.

Der Ururenkel des Firmengründers Julius Ludwig Josef Niedieck erfuhr so manch skurrile Geschichte aus dem Leben seiner Ahnen. Er korrigierte den Familienforscher Meier aber in einem Punkt: Der Familiensitz Haus Bockdorf bei Kempen sei 1892 kein Geschenk des Brautvaters Julius Niedieck für seine Tochter Bertha gewesen, sondern habe sich schon eine Generation vorher im Besitz des Krefelder Textilindustriellen von Heimendahl befunden.

Julius Niedieck hätte sich aber auch das leisten können. Gemeinsam mit seinem Bruder Karl hatte er seit 1855 ein Textilunternehmen aufgebaut, das der Familie ein großes Vermögen bescherte. "Reich wie Niedieck" hieß laut Meier ein geflügeltes Wort am Niederrhein. Die Brüder, von denen Karl in Lyon gelernt hatte, waren ihrer Zeit immer ein wenig voraus: "Die dachten schon um die nächste Ecke", meinte Meier. Er nannte vor allem die Entwicklung des vollmechanischen Doppelsamtwebstuhls als Beispiel für die Weitsicht der Unternehmer.

Von den beiden Fabrikherren war Julius der technisch interessierte und repräsentierende Unternehmer, während Karl der Kaufmann war. Bismarcks Sozialgesetze gingen ihnen eigentlich zu weit, doch spendeten sie immer wieder einige tausend Mark für Krankenhäuser und Fabrikarbeiter, doch "nicht zum Durchfuttern, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe", wie Meier sagte: "Sozial eingestellt nach Gutsherrenart". Beide waren trinkfeste Leute, doch hatten sie ein Abkommen: Wenn Julius einen über den Durst trank, musste Karl nüchtern bleiben, denn einer musste am nächsten Morgen in der Firma ansprechbar sein. Das galt auch umgekehrt.

Ob beide einer Freimaurerloge angehörten, konnte Meier nicht verifizieren. An den Gräbern finden sich keine entsprechenden Zeichen. Seltsam aber ist, dass Julius Niedieck 1895 von einem altkatholischen Priester beerdigt wurde. Ob bei Karl Niedieck 1911 ein katholischer Priester am Grabe stand, ist nicht überliefert, wohl aber: Sein Pferd nahm dort Abschied.

Die Julius-Linie schied 1895 aus der Firma aus, weil Sohn Paul als Schriftsteller und Jäger lieber in der Welt herumreiste. Aus der Karl-Linie war Karl Hermann (geb. 1893) der letzte Spross bei Niedieck bis 1925. Er verließ Lobberich, seine drei Söhne fielen im Zweiten Weltkrieg. Mit seiner zweiten Frau lebte er bis 1967 in Mettmann. Von New York nach Lobberich kam die Frau von Clemens August Niedieck, eines Bruders von Julius und Karl (1845 bis 1893), Anna Eckhard. Nach dem frühen Tod ihres Mannes zog sie nach Düsseldorf. Sie wurde dort zur Gründerin des Hilfsvereins zum Guten Hirten (heute Sozialdienst katholischer Frauen).

(mme)
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