Viersen Zeitreise durch Viersen

Viersen · Stadtgeschichte einmal anders: Heimatverein und Volksbühne luden Dechant Stroux, Freiherr von Diergardt, Kommerzienrat Kaiser und Cosima Wagner ein. Viele Viersener waren begeistert von diesem Stadtrundgang.

 Christian Brüning (im Talar) erläuterte als Dechant Stroux den Teilnehmern des besonderen Viersener Stadtrundgangs den Remigiusbrunnen an der Hauptstraße.

Christian Brüning (im Talar) erläuterte als Dechant Stroux den Teilnehmern des besonderen Viersener Stadtrundgangs den Remigiusbrunnen an der Hauptstraße.

"Hochwohlgeborene Gäste, liebe Zeitreisende!" Mehr als 50 waren auf den Remigiusplatz gekommen und hörten gebannt zu, wie die Magd Flora vom alten Rathaus, dem Pranger- und dem Weisenstein erzählte. Die Idee kam Dr. Albert Pauly und Barbara Sahl-Viergutz bei einer Tasse Kaffee: der Verein für Heimatpflege Viersen lud gemeinsam mit der Volksbühne zu einem Stadtrundgang ein, auf dem bekannte Persönlichkeiten aus früheren Jahrhunderten sich und ihre Verdienste um die Stadt und ihre Bürger vorstellten. Neben Nikola Nilles und Walter Tillmann (Heimatverein) machten die Mitglieder der Volksbühne Marlies Sommer, Christian Brüning und Bernd Schüren sichtlich begeistert mit.

Gang über den Friedhof

Ganz still wurden die Gäste, die gerade vom Tod ihres Pfarrers Stephan Gedden erfahren hatten, als aus den Hecken des alten Friedhofs an St. Remigius ein vor fast 100 Jahren verstorbener Pfarrer schritt und die Gäste "an meiner Grabesstätte" begrüßte. Dechant Stroux, der 30 Jahre an St. Remigius wirkte, erzählte von seinem Bemühen "Gutes zu tun für die Gemeinde, Schulen und vor allem die armen elternlosen Geschöpfe". Interessiert lauschten alle seinem Bericht über den "alten" Remigiusbrunnen, den er hinter der Kirche setzen ließ und dessen Remigiusstatue ebenso wie die Glocken während des Krieges eingeschmolzen wurde.

Wenige Schritte weiter empfing Friedrich Freiherr von Diergardt die Zeitreisenden, unter ihnen Anne Bieler (Kulturausschuss-Vorsitzende), Jutta Pitzen (Kulturpädagogin) und Dülkens "Nachtwächter" André Schmitz. Der Baron erzählte von seiner Idee, wie "ich ein immenses Vermögen anhäufen und für die Not leidenden Leineweber ausgeben kann". Der Unternehmer verzollte seine Ausfuhren erstmals nach Wert und sparte – sehr zum Ärger der Engländer – viel Geld. Schmunzelnd erzählte der Freiherr, dass er, der zum Schluss 3500 Handwerkern Arbeit gab, für seine ellenlange Visitenkarte mit seinen Ehrenämtern vom Berliner Satireblatt "Kladderadatsch" gelobt wurde: "Ach Gott, wie groß ist doch dein Diergardt!"

Josef Kaiser über Tüfteleien

Am Stadtbad überraschte Kommerzienrat Josef Kaiser die Gäste. Er erzählte von seinen Tüfteleien, bis er eine funktionierende Kaffeeröstmaschine hatte und so von 1882 bis 1905 sein Kaffee-Imperium von Viersen aus auf 900 Filialen ausbaute. Antonia (10), Tochter von Nikola Nilles, sagte zur Freude aller ein Gedicht über die Kaffeekanne auf. Zum Abschluss der Zeitreise kam Cosima Wagner zur Galerie im Park, dem letzten Wohnhaus des Kommerzienrates. Die Witwe Richard Wagners hatte in ihrem Tagebuch einst notiert: "Gustav Adolf Schmidt, ein Kaufmann aus Viersen, berichtete, dass die Stadtväter seiner Heimatstadt nicht für das Bayreuther Festspielhaus spenden wollten."

Nach zwei interessanten Stunden versprachen die Organisatoren unter herzlichem Beifall: "Dies wird eine Wiederholung im nächsten Jahr haben, aber mit anderen Personen."

(flo)
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