Debatte um G 8 Rot-Grün in NRW will an Turbo-Abi festhalten

Düsseldorf · Am Montag tagt der runde Tisch zur Schulzeitverkürzung am Gymnasium - Ministerin Sylvia Löhrmann steht unter Druck. Eine Mehrheit der Experten und der Politik lehnt aber eine Abkehr vom G 8 ab.

 Eine Mehrheit der Experten lehnt eine Abkehr vom G 8 ab.

Eine Mehrheit der Experten lehnt eine Abkehr vom G 8 ab.

Foto: dpa, Armin Weigel

Zwei Tage vor der Tagung des runden Tisches zum "Turbo-Abitur" in NRW zeichnet sich bei den Teilnehmern eine klare Mehrheit für die Beibehaltung der achtjährigen Gymnasialzeit (G 8) ab. Von den rund zwei Dutzend Verbänden, Parteien und Experten, die Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) für Montag - drei Wochen vor der Kommunalwahl - eingeladen hat, haben sich bisher nur drei klar für die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren (G 9) ausgesprochen: die Bürgerinitiativen "Gib 8" und "G 9 jetzt" sowie die Landesschülervertretung.

Löhrmann selbst hat mehrmals für ein Festhalten an G 8 plädiert. Mit dem runden Tisch wolle sie sich vergewissern, ob G 8 noch Konsens sei, und "weitere Entlastungsmöglichkeiten prüfen". Die Ministerin steht aber unter Druck: Mehrere Bundesländer stellen G8 infrage; Niedersachsen kehrt zu G 9 zurück. Am Dienstag wurde eine Umfrage bekannt, wonach sich in NRW 76 Prozent für G 9 aussprechen. "In NRW wird Politik gegen die Bevölkerung gemacht", sagte die Sprecherin der Bürgerinitiative "Gib 8", Anja Nostadt. Kinder und Jugendliche litten unter Stress und hätten kaum noch Freizeit, kritisieren die Gegner des "Turbo-Abiturs".

Deshalb spricht sich die große Mehrheit der Konferenzteilnehmer für Nachbesserungen aus. SPD-Schulexpertin Renate Hendricks verwies auf den rot-grünen Koalitionsvertrag, der Entlastungen bei G 8 vorsieht, und sagte: "Wir machen keine Rolle rückwärts. Das G 9 in seiner ursprünglichen Form wird es nicht mehr geben." Nach Ansicht der Grünen muss es "weniger Druck bei den Hausaufgaben" geben. Petra Vogt (CDU) mahnte eine Überprüfung des Nachmittagsunterrichts an. Außerdem plädierte sie für die "Entrümpelung" der Lehrpläne. Ähnlich äußerte sich die FDP, während die Piraten an jeder Schule die Wahl zwischen acht- und neunjährigem Abitur anbieten wollen.

Der Städte- und Gemeindebund NRW lehnt eine Rückkehr zu G 9 ab. Dafür gebe es nicht genug Räume, sagte Bildungsexperte Claus Hamacher. Inzwischen seien viele Räumlichkeiten für Mensen und den gemeinsamen Unterricht mit Behinderten verplant. Auch die Vereinigung Unternehmer NRW rät dazu, "das Rad nicht zurückzudrehen". Allerdings müssten junge Menschen besser auf den Übergang in den Beruf vorbereitet werden. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft will G 8 nicht abschaffen.

Entschiedene Unterstützer von G 8 sind Schulleitervereinigungen und Philologenverband. "Eine erneute Umstellung würde Chaos auslösen", sagte dessen Vorsitzender Peter Silbernagel. Ein "Zickzackkurs" gefährde auch das Vertrauen in andere Kernprojekte wie den Unterricht mit behinderten Kindern. Gegen eine Rückkehr ist auch die Landeselternschaft der Gymnasien. "Das würde die Gymnasien schwächen", warnte der Vorsitzende Ralf Leisner - dann fehle der entscheidende Unterschied etwa zur Gesamtschule: "Wo Gymnasium draufsteht, muss auch Gymnasium drin sein."

Auch der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann sprach sich gegen einen kurzfristigen Wechsel aus. "Wenn die Kehrtwende so abrupt vollzogen würde wie die Hinwendung zu G 8, wäre das fatal", sagte Hurrelmann. Auf mittlere Sicht sei eine Rückkehr jedoch möglich, ja unausweichlich: "Keine Regierung in einem Flächenland wird sich auf Dauer diesem Wunsch der Eltern und Schüler verschließen können. Die Proteste sind zu intensiv und ausdauernd."

(hüw / fvo)
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