Neue Ermittlung nach zwölf Jahren

Am zwölften Jahrestag des Sprengstoffanschlags auf den S-Bahnhof Wehrhahn liegen die 50 Kisten voller Akten und Beweismaterial nicht mehr in der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft. Mit dem Aufkippen der Neonazi-Verbrechen des sächsisch-thüringischen Mörder-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhard und Beate Z. sind die Ermittlungen im November neu aufgenommen worden.

Am 27. Juli 2000 war in einer Plastiktüte, die am Geländer des S-Bahnhofs an der Ackerstraße hing, ein aus verunreinigtem Trinitrotoluol (TNT) hergestellter Sprengsatz explodiert. Neun Sprachschüler, ehemalige Sowjet-Bürger, die der jüdischen Gemeinde angehörten und auf dem Heimweg vom Deutschunterricht an der Ackerstraße waren, wurden dabei teils schwer verletzt, ein Ungeborenes im Mutterleib getötet. Früh war über einen rechtsradikalen Hintergrund des Anschlags spekuliert worden, ein der Szene zugetaner Militariahändler lange als Beschuldigter geführt worden. Doch mehr Indizien als die Religionszugehörigkeit der Opfer und die Herkunft des Sprengstoffs aus osteuropäischen Militärbeständen, die in den 1990er Jahren in den noch neuen Bundesländern nicht schwer zu bekommen waren, gab es nie. Die Kripo verfolgte hunderte von Spuren und Hinweisen, befragte 1300 Passanten – ohne Ergebnis. Nach neunjähriger Arbeit wurde im Sommer 2009 die Ermittlungskommission "EK Acker" aufgelöst, 50 Aktenkisten und ein 80-seitiger Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft übergeben.

Nach der Entdeckung des mörderischen Nazi-Trios ließen Behörden in ganz Deutschland ungeklärte Verbrechen mit möglichem rechtsradikalen Hintergrund neu überprüfen. In Düsseldorf erhielt der routinemäßige Abgleich der Spuren und Beweise mit den Ermittlungen zum Nazi-Trio und dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) nach drei Monaten kurz Brisanz: Im Februar nahm die GSG 9 in der Landeshauptstadt Carsten S. fest, der inzwischen gestanden hat, die Waffe, mit der das Trio neun Morde beging, besorgt zu haben. S. war nach seinem Ausstieg aus der thüringischen Nazi-Szene 2003 ins Rheinland gezogen. Er wird der Beihilfe zum neunfachen Mord beschuldigt, ist aber inzwischen auf freiem Fuß.

Einen Zusammenhang mit dem Wehrhahn-Anschlag haben die Ermittler bisher nicht nachgewiesen. Doch die Untersuchungen, auch die zu den NSU-Verbrechen, sind noch nicht abgeschlossen.

(RP)
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