NRW Eltern werfen Städten Versagen bei Inklusion vor

Düsseldorf · Immer mehr behinderte Kinder lernen in Regelschulen. Städte und Gemeinden erwiesen sich dabei oft als Bremser, bemängeln Elternvereine. Die Kommunen sind empört: Nötig sei mehr Geld vom Land.

 Nach Meinung vieler Eltern geben Städte und Kommunen beim Thema Inklusion ein schlechtes Bild ab.

Nach Meinung vieler Eltern geben Städte und Kommunen beim Thema Inklusion ein schlechtes Bild ab.

Foto: dpa, RP/Radowski

Zum Start des neuen Schuljahres üben Elternvereine heftige Kritik an Städten und Gemeinden, was den gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder angeht. "Die Kommunen erhalten viel Geld, tun aber nicht, was nötig ist, um die Inklusion zum Erfolg zu führen", sagte Stephanie Jungwirth von der Neusser Initiative "Gemeinsam leben und lernen": "Vor Ort passiert nur etwas, wenn Eltern den Kommunen auf die Füße treten." Viele Städte und Gemeinden hätten immer noch kein Konzept, wie sie die zusätzlichen Landesmittel verwenden wollten.

Seit diesem Jahr bekommen die Kommunen in NRW jährlich insgesamt 35 Millionen Euro extra vom Land, um die Kosten der Inklusion aufzufangen. Die Mittel sollen Sach- (25 Millionen) und Personalkosten (zehn Millionen) decken. In NRW haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Regelschule für ihr behindertes Kind.

Unzufrieden ist auch der Kölner Verein "Mittendrin". "In einer ganzen Reihe von Kommunen gibt es hinhaltenden Widerstand gegen das Recht auf inklusive Bildung", sagte Vereinsvorstand Eva-Maria Thoms: "Manche haben anscheinend keine Lust, andere offenbar keine Planung." Die Kommunen gäben zum Teil Investitionen an, "die längst fällig gewesen wären", etwa die barrierefreie Erschließung von Schulen.

Grundlage für die Kritik sind Antworten von mehr als einem Dutzend Kommunen auf Anfragen der Vereine und unserer Zeitung nach der Verwendung der Landesmittel. So gibt beispielsweise Korschenbroich an, man helfe behinderten Kindern nach dem konkreten Bedarf; Ideen lägen "nicht in Form eines Konzeptes" vor. Aus Neuss heißt es, da das Geld nicht zweckgebunden sei, sondern Teil der "allgemeinen Deckungsmittel für den städtischen Haushalt", könnten auch "keine durch diese Mittel finanzierten Einzelmaßnahmen benannt werden". Mönchengladbach gibt an, es gebe keine eigenen Beschlüsse, wie die Mittel zu verwenden seien, weil es sich um laufende Verwaltungsgeschäfte handele.

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Dass die Kommunen das Geld nicht für Inklusion verwenden müssen, sei "ein Skandal", kritisierte Jungwirth: "So kann das Geld auch für Parkbänke ausgegeben werden." Die Kommunen seien völlig frei, sagte der Münsteraner Staatsrechtler Janbernd Oebbecke: "Aus der Pflicht des Landes, Kommunen die Kosten auszugleichen, ergibt sich keine Zweckbindung." Das Geld fließe "von oben in das große Fass des kommunalen Haushalts, unten läuft es aus vielen Kränchen wieder heraus - auch für Inklusion".

Die Kommunen wehren sich gegen die Vorwürfe der Eltern. Die Kritik, man sei Hemmschuh der Inklusion, sei "unfair und nicht haltbar", sagte Claus Hamacher vom Städte- und Gemeindebund NRW. Die lange Ungewissheit über die Finanzierung habe vielerorts dazu geführt, dass Investitionen aufgeschoben wurden. Oft verursache ein einziger Inklusionsfall mehr Kosten, als das Land an Hilfe zahle. 52 Kommunen des Städte- und Gemeindebunds haben mittlerweile im Streit um die Finanzierung der Inklusion Verfassungsbeschwerde erhoben.

(fvo)
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