Neuss Polizei ermittelt bei Neusser Chemie-Firma

Neuss · Eine Gestank-Wolke ist gestern über das Rheinland gezogen. Anwohner klagten über Brechreiz und Atemnot, die Polizei wurde eingeschaltet. Stunden vergingen, bis klar wurde, dass die Neusser Firma Silesia den Geruch verursacht hatte.

Maggi, Erdbeeren oder Lakritz — an die Gerüche des Neusser Aroma-Herstellers Silesia haben sich die Anwohner aus der Umgebung längst gewöhnt. "Aber so, wie es gestern plötzlich stank, das war ganz schön extrem", sagt Susanne Reiter, die im Neusser Süden lebt.

Weil viele Anwohner in der Region über Atembeschwerden klagten, ja sogar der Verdacht auf ein Umweltdelikt besteht, nahm auch die Neusser Polizei die Ermittlungen auf — allerdings erst gestern Nachmittag, denn vorher hatte die Suche nach dem Verursacher des Maggi-Gestanks im Mittelpunkt gestanden. "Ein Gutachter der Kriminalpolizei hat den Betrieb bereits besucht", berichtete ein Polizeisprecher. Ergebnisse sollen frühestens heute vorliegen.

Die ersten Beschwerden waren schon am frühen Morgen beim Gesundheitsamt des Rhein-Kreises eingegangen. So stark sei die Belastung gewesen, dass Anrufer von Brechreiz berichteten, sagte der zuständige Dezernent Karsten Mankowsky. Der Geruch wurde vor allem in Dormagen wahrgenommen, die "Maggi-Wolke" wehte aber auch Richtung Köln, Leverkusen und Düsseldorf. Beim Chempark-Betreiber Currenta klingelte gegen 6.30 Uhr zum ersten Mal das Telefon in Sachen seltsamer Geruch. Mehrere Anwohner hatten sich wegen der Geruchsbelästigung gemeldet. In Düsseldorf zog die Wolke gegen Mittag vorbei, "sogar in der Innenstadt konnte man den Aromastoff riechen", sagte Feuerwehrsprecher Heinz Engels.

In Dormagen und Leverkusen vermuteten Anwohner, die Gestankquelle könnte vom Leverkusener Chempark (früher Bayerwerk) herübergeweht sein. "Wir haben diesen Hinweis sehr ernst genommen und an beiden Standorten Luftmesswagen rausgeschickt", berichtete Currenta-Sprecher Benjamin Schütz. "Es gab keine Feststellungen, wir hatten auch keine Meldungen aus unseren Betrieben. Schnell war klar, der Geruch kommt nicht aus den Chempark-Standorten." Auch die Pflanze, nach der es so übermäßig in Köln und weniger stark in Leverkusen roch, schloss Lothar Schmitz vom Leverkusener Grünflächenamt aus: "Hier wächst weit und breit kein Liebstöckel."

Die Leverkusener Berufsfeuerwehr, die seit dem Morgen mit Geruchsanrufern zu tun hatte, betrieb per eigenem Messwagen Ursachenforschung, stellte aber nichts fest. "Wir haben mit der Feuerwehr Köln Kontakt aufgenommen. Von dort kam der Hinweis, dass die Gestankwolke nicht gesundheitsschädlich sei", meldete Michael Wilde, Pressesprecher der Stadt.

Die Kölner Feuerwehr war es auch, die schließlich in Eigenregie recherchierte, woher der Gestank kam — denn aus dem Rhein-Kreis fehlte jede Nachricht, und das, obwohl selbst dem Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, der gestern mit dem Auto in Richtung Köln gefahren war, auf dem Weg auffiel, dass es "ganz komisch nach geschnittenen Zwiebeln" roch. Petrauschke betonte gestern, dass zu keiner Zeit Gefahr bestanden habe. "Von daher war die Ursachesuche ärgerlich, aber nicht problematisch", so der Landrat, der ebenso wie Gesundheitsdezernent Mankowsky auf die Verantwortung des Unternehmens verwies. Ähnlich sah es die Firma Silesia, für die Beschwerden über Geruchsbelästigungen nicht ganz unbekannt sind. In der zweiten Produktionsstätte der Firma in Kalkar hatte es im vergangenen Jahr derart gestunken, dass sich dort eine "Bürgerinitiative gegen Aroma-Immissionen" bildete. Silesia verwies damals — ebenso wie heute — darauf, "höchsten Umweltstandards" verpflichtet zu sein.

"Wir werden das Ereignis mit dem Betrieb aufarbeiten", kündigt Gesundheitsdezernent Mankowsky an. Politiker aus dem Rhein-Kreis, allen voran der grüne Landtagsabgeordnete Hans Christian Markert aus Kaarst, forderten, auch politische Konsequenzen zu ziehen: "Es darf nicht sein, dass die Kölner Feuerwehr die Gestank-Ursache schneller ermittelt als der Rhein-Kreis und die Stadt Neuss", so Markert. "Die Hinweiskette muss sich dringend verbessern, sonst droht im Ernstfall eine Katastrophe."

(RP/gre)
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