Düsseldorf 8000 Anrufe bei "Nummer gegen Kummer" - Gewalt ist oft Thema

Düsseldorf · Erstmals suchten voriges Jahr mehr Jungen als Mädchen Hilfe beim Kinder- und Jugendtelefon des Kinderschutzbundes. 30 Ehrenamtler sind in Düsseldorf für sie im Einsatz.

 Gabriele N. arbeitet ehrenamtlich am Beratungstelefon. Ihre jungen Gesprächspartner bleiben immer anonym.

Gabriele N. arbeitet ehrenamtlich am Beratungstelefon. Ihre jungen Gesprächspartner bleiben immer anonym.

Foto: sg

Seit 1993 klingelt's an der Posener Straße, das Kinder- und Jugendtelefon, bekannt auch als die Nummer gegen Kummer. Die Themen um die es den Anrufern geht - die meisten sind zwischen zwölf und 17 Jahre alt - sind meist die gleichen: Liebeskummer, Sexualität, Streit mit den Eltern und Ärger in der Schule.

Auch Gewalt und Missbrauch haben die Kinder und Jugendlichen erlebt, denen die ehrenamtlichen Berater zuerst einmal zuhören. Diana Goldermann-Wolf, Sozialpädagogin und seit 17 Jahren Koordinatorin des Kinder- und Jugendtelefons, weiß: "Ein Missbrauchsopfer muss sieben Gespräche führen, bevor ihm geglaubt wird." Und nicht selten ist es einer der 30 Düsseldorfer Ehrenamtler, der dieses achte Gespräch führt.

25 Frauen und fünf Männer gehören zum Team, das gründlich geschult wird, nicht nur, um den jungen Anrufern adäquat helfen zu Können, sondern auch, um die bisweilen schlimmen Geschichten, die sie hören, nicht zu nah an sich heranzulassen. Ihre Aufgabe besteht vor allem im Zuhören, und darin, einfühlsam Lösungsansätze zu zeigen. "Wir erteilen keine Ratschläge, sondern bemühen uns, das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken und ihnen zu zeigen: Du kannst das selbst schaffen."

Zum Konzept gehörte auch einmal, Jugendliche zu Beratern auszubilden. "Das war für die Anrufer gut, aber auch die erwachsenen Berater haben viel von den jungen Kollegen profitiert", sagt Goldermann-Wolf. Doch als mit der Einführung von G8 für die 16-Jährigen meist schon die Abiturvorbereitung begann, blieben die Freiwilligen weg, 2014 wurde das Projekt eingestellt.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Beratungstelefons haben voriges Jahr mehr Jungen als Mädchen angerufen. "Bei ihnen geht es meistens um Sexualität, von der körperlichen Entwicklung über die Praxis bis zu Fantasien", berichten die Beraterinnen, die selbst anonym bleiben wollen. Goldermann-Wolf sieht im Wandel der Zahlen auch eine Entwicklung. "Jungen finden heute nichts mehr dabei, um Rat oder Hilfe zu fragen, wofür sie sich eben vor einigen Jahren noch als Versager gefühlt haben."

79 Anschlüsse hat die Nummer gegen Kummer deutschlandweit, die Anrufer werden nach dem Zufallsprinzip weitergeleitet, so dass keineswegs nur Düsseldorfer Kinder im Kinderschutzhaus an der Posener Straße anrufen. Die Zahl der Anrufe ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, rund 20 Telefone sind inzwischen eingestellt. Dafür gibt es jetzt mehr Beratung auch per E-Mail. Während am Telefon auch schon mal ein Teenie wissen will, ob sein Gesang für eine Castingshow taugt, geht es in den Mails eher um die ernsten Themen, meistens um häusliche Gewalt. "Wir betrachten uns als einen wesentlichen Baustein in der Prävention", sagt Goldermann-Wolf, "denn wir sind oft die ersten, denen ein geprügeltes Kind sich öffnet."

Vor sechs, sieben Jahren war das Internet ein Riesenthema, von Onlinesucht über verstörende Sex- oder Gewaltbilder aus dem Netz. Heutzutage ist der Umgang mit den modernen Medien alltäglicher, spielen Streitigkeiten mit Freunden bei Facebook die gleiche Rolle wie auf dem Schulhof. Und auch der Liebeskummer rührt bisweilen daher, dass der Angebetete mit einer anderen gewhatsappt hat. "Wissen Sie, was WhatsApp ist", werden die Beraterinnen dann manchmal gefragt. Aber den Kurznachrichtendienst, Hauptkommunikationsmittel der Jugend, haben sie spätestens in der Ausbildung kennengelernt.

(RP)
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