Düsseldorf Lange Suche nach Gott: Getauft mit 41 Jahren

Düsseldorf · Seine Eltern ließen ihm die Wahl, ob er Christ werden will. Mehr als drei Jahrzehnte dachte Jörg Thar nach. Dann entschied er sich.

 An den Wochenenden geht Jörg Thar gerne in die Johanneskirche in der City. "Besonders der Evensong am Freitagabend inspiriert mich."

An den Wochenenden geht Jörg Thar gerne in die Johanneskirche in der City. "Besonders der Evensong am Freitagabend inspiriert mich."

Foto: Andreas Bretz

Diese eine Wanderung auf Spiekeroog wird Jörg Thar nie vergessen. 19 Jahre alt ist er damals, will unbedingt an die Ostspitze, um auf Wangerooge - die Lieblingsinsel seiner Kindheit - zu schauen. Doch sein Wunsch droht an einem knietiefen Priel zu scheitern. Da hilft ihm sein Begleiter. "Er nimmt mich kurzerhand Huckepack und trägt mich durch das Wasser." Der Mann ist damals Pfarrer an Thars Bundeswehr-Standort. Gut 22 Jahre später - im Januar 2013 - treffen sich die beiden wieder. Zur Taufe im Heidestädtchen Salzhausen, wo Pfarrer Michael Danne heute arbeitet.

"Es hat gedauert", sagt Thar, der seit kurzem als Lehrer am evangelischen Theodor-Fliedner-Gymnasium in Kaiserswerth arbeitet. Tatsächlich spielt Religion in der Kindheit des Aacheners keine große Rolle. Seine Eltern sind zwar katholisch, die Kinder lassen sie trotzdem nicht taufen. Richtig religiös ist nur die Viersener Oma. "Sie war sehr fromm, fand gut, wenn wir zur Messe gingen, und hätte uns am liebsten gleich taufen lassen", erinnert sich der Geo-Wissenschaftler. Einen festen Bezug zu einer Konfession entwickelt er trotzdem nicht. Nach der katholischen Grundschule wechselt er auf die Viktoria-Schule, ein evangelisches Gymnasium in Aachen. "Die Schule war auch deshalb so verwinkelt, weil ein Baumbestand erhalten werden sollte. Dieser Gedanke an die Bewahrung der Schöpfung hat mich beeindruckt."

Doch für die Konfirmation reicht es nicht. Und das liegt nicht zuletzt am katholischen Schulpfarrer seines jüngeren Bruders Jens. "Papa Hoentges, wie ihn alle nannten, war ein charismatischer Typ, im besten Sinne des Wortes ein Menschenfischer. Ein Typ, der mich nachhaltig beeindruckt hat." Thar schwankt zwischen den Konfessionen. Zwischen dem Mystisch-Spirituellen des katholischen Ritus und der kopfbetonten Reflexion im Protestantismus. "Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich mich irgendwann einmal taufen lasse."

Thar studiert an der Technischen Universität seiner Heimatstadt Physik und Elektrotechnik, wechselt später in die Geo-Wissenschaften, wird am Ende Diplom-Mineraloge. Ein Naturwissenschaftler, darauf geeicht, zu verstehen, zu erklären und vor allem zu beweisen. Thar reicht das am Ende nicht. "Viele Fragen rund um die menschliche Existenz können wir allein mit Hilfe von Naturgesetzen nicht beantworten", sagt der Mann, dessen Brüder jeweils einen anderen Weg beschritten. "Jens wurde katholisch und Jan betrachtet sich eher als Atheist."

Jörg Thar ist sich inzwischen sicher: "Es gibt Gott, auch wenn ich mich scheue, das Unfassbare so beim Namen zu nennen." Trotzdem tut er sich mit einigen Wahrheiten des Glaubensbekenntnisses schwer. War Jesus mehr als ein begnadeter Denker und Redner, ist er wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich? Thar zögert: "Dazu müsste ich wissen, was das Göttliche ist." Gewissheiten in religiösen Fragen liegen ihm nach wie vor nicht. "Aber Hoffnung, dass da auf das Leben kein Nichts folgt, die habe ich als Christ schon - ganz besonders an Ostern."

(RP)
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