Düsseldorf Mehr als Trauer und Tod

Düsseldorf · Ute Bartsch arbeitet ehrenamtlich als ambulante Hospizbegleiterin im Otto-Ohl-Haus der Diakonie. Mit ihrem Alltag im Pflegeheim verbindet sie nicht nur traurige Momente. Manchmal liest sie Märchen vor, manchmal hört sie einfach nur zu.

 Hospizbegleiterin Ute Bartsch liest oft Märchen und Kurzgeschichten vor, aber auch Biografien.

Hospizbegleiterin Ute Bartsch liest oft Märchen und Kurzgeschichten vor, aber auch Biografien.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es ist beinahe still in der Küche von Ute Bartsch. Leise Musik kommt aus dem Radio. Auf dem Tisch hat die 52-Jährige ein Teelicht angezündet. Daneben steht ein Stapel Bücher, obenauf "Grimms Märchen". Von ihrem Küchenfenster aus kann Bartsch das Otto-Ohl-Haus der Diakonie in Garath sehen. Das Pflegeheim ist ihr vertraut, vor vier Jahren lag hier ihre Mutter. Der Weg "nach drüben" fällt ihr dennoch nicht schwer, wenn sie zweimal in der Woche ihre Bücher nimmt und in den Wohnbereich drei geht.

Denn seit knapp zwei Jahren verbringt sie dort als ehrenamtliche ambulante Hospizbegleiterin ein paar Stunden mit den Bewohnern. Aus Erfahrung weiß sie: "Da sind nicht nur Trauer, Krankheit und Tod, sondern da ist auch Leben." Vor allem, wenn Bartsch ihre Geschichten vorliest. "Es gibt zum Beispiel eine Kurzgeschichte von einer Oma, die ihre Brille verliert. Später müssen die Bewohner mir dann sagen, wo sie die Brille verloren hat", sagt sie. Neben Kurzgeschichten und Märchen sind auch Biografien und Erzählungen von früher sehr beliebt.

Angeregt durch ihre Geschichten erzählen die Bewohner ihr oft auch aus ihrem Leben; sie hört dann einfach zu: "Manche tragen einige Erlebnisse seit fast 90 Jahren mit sich herum. Gerade im letzten Lebensabschnitt möchte man seinen Rucksack ein bisschen erleichtern." Manchmal geht es bei den Gesprächen auch um den bevorstehenden Tod. "Viele Bewohner sagen mir: Ich habe keine Angst, dass, sondern wie ich sterbe." Auch die letzten Wünsche sind immer wieder Thema. Um sie zu erfüllen, macht Bartsch sogar kleine Ausflüge. "Mit einer Dame war ich im Sommer auf der Benrather Bierbörse. Eine andere will sich gerne noch einmal ansehen, wie sich Düsseldorf verändert hat."

Als Hospizbegleiterin ist sie für die Bewohner aber auch in ihren letzten Momenten da. "Im vergangenen Jahr sind zwei Damen verstorben, die ich betreut hatte. Einerseits hat ihr Tod eine Lücke hinterlassen, anderseits bin ich dankbar, denn ich durfte sie noch einen Teil ihres Lebens begleiten." Den Verlust eines geliebten Menschen kennt die 52-Jährige aus eigener Erfahrung. Nacheinander begleitete sie ihren Vater und ihre Mutter bis zum Lebensende. "Da habe ich begriffen, was ,Totenstille' bedeutet. Dieser Moment, wenn man nur noch das Atmen hört. Dann hört das Atmen auf. Drinnen ist es still, draußen ist still und in Bruchteilen von Sekunden hört man Vogelgezwitscher und die Welt dreht sich weiter."

Doch die Arbeit im Otto-Ohl-Haus kann auch belastend sein. Alle sechs Wochen tauschen sich die Mitarbeiter daher über ihre Eindrücke aus. "Auch wir haben Erlebnisse, die hochkommen." Einmal musste sie für knapp 20 Minuten aus einem Zimmer raus, "weil ich wusste, ich tue der Bewohnerin gerade nicht gut". Für sie überwiegen aber die schönen Momente: "Mein Lohn ist, dass ich etwas erfahren durfte und ein Lächeln mit nach Hause nehmen kann."

Die Begeisterung für ihre ehrenamtliche Arbeit bemerkte Bartsch erstmals vor vier Jahren. Während ihre Mutter im Otto-Ohl-Haus lag, las sie anderen Bewohnern die ersten Geschichten vor. "Da habe ich gemerkt, dass es mir Freude macht, Menschen in ihrer letzten Lebensphase noch etwas zu geben." Nach dem Tod ihrer Mutter entschied sich die gelernte Friseurin für den Hospizdienst der Diakonie. Die Ausbildung zur ambulanten Hospizbegleiterin hat ihr dabei gezeigt, wie viel schon kleine Gesten bedeuten: "Am Lebensende brauchen Menschen nur noch jemanden, der sie begleitet und ihnen Zuneigung gibt. Man bekommt dabei viel zurück."

Seit dem 1. Januar arbeitet Ute Bartsch als Betreuungsassistentin im Ferdinand-Heye-Haus in Gerresheim, um dort Demenzkranke zu betreuen. Über den ehrenamtlichen Hospizdienst habe sie jetzt ihre Berufung gefunden.

(RP)
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