Duisburg Weihnachtsbotschaft - eine Provokation

Duisburg · Im Alltag werden wir gerade von Botschaften überrollt. Einige von denen, die meinen, uns Wichtiges mitteilen zu müssen, stellen wir in unser Weihnachtsausgabe vor.

 Himmlische Boten für göttliche Botschaften: Engel.

Himmlische Boten für göttliche Botschaften: Engel.

Foto: puchalski

Im Stress ums Schenken und Beschenkt werden ist die frohste aller Botschaften meist nur noch in schnulzige Radioschlager verpackt. Dabei ist die Sehnsucht, sie zu hören, doch offenbar ungebrochen hoch. Stadtdechant Bernhard Lücking hat sich hingesetzt und für die RP-Leser eine Botschaft geschrieben, die deutlich macht, warum wir Weihnachten feiern:

"Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; es ist der Messias, der Herr." (Lk 2, 10 f.). So spricht der Engel auf den Feldern Betlehems zu den Hirten. "Heute" lautet die Botschaft des Engels, gilt das Heute auch für uns? Oder ist das nur eine schöne, fromme Erinnerung an ein legendäres Ereignis aus uralten Zeiten? Für viele scheint längst vergessen, zumindest unwichtig zu sein, dass die Geburt des Kindes von Betlehem Grund und Anlass dieses so schönen, die Herzen erwärmenden Festes des Schenkens und der Kinder ist. Das Schenken bewahrt allerdings bewusst oder unbewusst die Erinnerung auf, dass ich Menschen, die mir wichtig sind, selbst, wenn es sich nur um Kunden handelt, meine Wertschätzung wenigstens einmal im Jahr zum Ausdruck bringen will.

Die Botschaft des Engels auf dem Hirtenfeld in Betlehem zeigt, wen Gott wertschätzt. Euch, so sagt der Engel, ist der Retter geboren, den ihr in dem Kind in der Krippe findet. Euch hat Gott dieses Geschenk gemacht, euch, die ihr von den anderen Verachtung und Ausgrenzung erfahrt, mit denen die bürgerliche Stadtgesellschaft den Kontakt meidet, die ihr innerhalb der Stadtmauern nichts zu suchen habt.

Diesen Randexistenzen fällt es leicht, aufzubrechen und sich auf den Weg zum Kind zu machen. Wer sich gemütlich und bequem einrichtet, will lieber nicht noch nachts vor die Tür gehen. Wenn auch für uns das "Heute" gilt, dann bleibt es nicht bei einer frommen, sentimentalen Legende. Dann hat dieses Ereignis eine Botschaft, die aufschreckend, brisant, politisch ist mit unbequemen Konsequenzen. Ich kann mich dann nicht mehr von der Weihnachtsgeschichte erbauen lassen, wenn ich nur die Menschen als Nachbarn haben will, die mich nicht stören, die sich wohl verhalten und, wie man schön sagt, anständig benehmen. Es ist verstörend, wenn die Weihnachtsbotschaft nicht mir, sondern zuerst Menschen gilt, denen ich lieber aus dem Wege gehe, deren Nähe ich nicht haben will, die lieber dort bleiben sollen, wo sie hergekommen sind. Mag die Weihnachtsbotschaft in ihrer verstörenden Konsequenz vielen, auch in ihren religiösen Feiertagsritualen eingefahrenen Christinnen und Christen nicht mehr bewusst, verdrängt oder vergessen sein, ich bin überzeugt, dass jeder, der die Weihnachtsbotschaft gehört hat, in seinem tiefsten Inneren weiß, dass es an Weihnachten um mehr geht als um eine schöne Festtagstimmung mit Bescherung. Dass auch heute noch am Heiligabend die Kirchen voll sind, dass man der Weihnachtstbotschaft, wenn sie uns auch noch so verfremdeter und oberflächlicher Form begegnet, kaum aus dem Wege gehen kann. Das "Heute" der Weihnachtsbotschaft bleibt eine Provokation, solange wir dieses Fest feiern.

(RP)
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