Rees Die neue Lust an Historischem

Rees · Heti Mey kam eher zufällig an ihre ehrenamtliche Beschäftigung im Stadtarchiv Rees. Doch diese hat ihre Sinne für die kleinen und großen Feinheiten von Heimatgeschichte geschärft. Zweimal in der Woche sortiert und archiviert sie.

 Heti Mey ist seit zwölf Jahren ehrenamtlich zweimal in der Woche im Stadtarchiv tätig.

Heti Mey ist seit zwölf Jahren ehrenamtlich zweimal in der Woche im Stadtarchiv tätig.

Foto: Erwin Pottgiesser

Heti Mey ist gelernte Industriekauffrau. Nach nicht ganz freiwilliger Beendigung ihres Berufslebens hielt sie es gerade einmal zwei Monate zuhause aus, bis ihr Mann tätig wurde. Es war ein Betriebsfest, bei dem Kalli Mey die Leiterin des Reeser Stadtarchivs Tina Oostendorp fragte: "Hast du nicht eine Beschäftigung für meine Frau, ihr fällt die Decke auf den Kopf?"

Die Stadtarchivarin hat immer Arbeit, mehr als von ihrem kleinen Team zu schaffen ist. "Mag deine Frau Bücher?", fragte sie vorsichtig nach. "Ich liebe Bücher", kam die prompte Antwort von Heti Mey. Es war der 15. Juni 2005, als die Bienenerin ihren ersten Vormittag im Stadtarchiv verbrachte. Seitdem ist die Ehrenamtlerin eine zuverlässige Stütze im Stadtarchiv. Zweimal in der Woche sitzt sie an dem großen Tisch und widmet sich ihrer Arbeit oder Sonderaufgaben, für die Tina Oostendorp kurzfristig Unterstützung sucht.

Damals wurde Heti Mey gebeten, die umfassende Bibliothek zu verzeichnen, heißt: Bücher zu kennzeichnen und in eine Excel-Datei einzutragen. "Sie hat Dietrich Zielke beerbt, der uns damals ehrenamtlich unterstützte", erinnert sich Tina Oostendorp. "Learning by doing" hieß es von nun an für Heti Mey. "Früher wusste ich gar nicht, was es in einem Stadtarchiv alles gibt. Heute schaue ich auf Reisen als erstes nach, ob es ein Archiv gibt, dass man besuchen kann", sagt sie. Überhaupt hat sie bei der Arbeit ein großes Interesse für Geschichte entwickelt. "Manchmal darf ich gar nicht darüber nachdenken, was ich früher alles weggeschmissen habe, Dinge, über die sich das Archiv bestimmt gefreut hätte." Heute macht sie diese Fehlentscheidungen wieder wett. Insbesondere, wenn es um Bienen geht. "Wir hatten im Dorf rund 25 landwirtschaftliche Betriebe, von denen gibt es heute nur noch sechs." Einige wurden im Krieg zerstört und an anderer Stelle wiederaufgebaut, andere verschwanden komplett oder wurden in späteren Jahren abgerissen.

Akribisch hat sie Fotos sortiert, nummeriert und mit allen wichtigen Informationen versehen in Ordnern abgelegt. "Ein Foto hat nur dann einen Wert, wenn man weiß, wer oder was darauf zu sehen ist", weiß sie heute. Nicht selten nimmt sie daher Aufnahmen mit in ihre Proot Platt-Gruppe oder befragt alte Bienener. "Ihr Vorgänger als ehrenamtlicher Mitarbeiter, Hans Lehmann, hat Fotografien gerne bei Arztbesuchen mit ins Wartezimmer genommen, um Patienten zu befragen oder hat sich nach dem Kirchgang Bürger zur Seite genommen", weiß Tina Oostendorp .

Als Heti Mey im Stadtarchiv begann, gab es einen einzigen Bienen-Ordner. Heute sind es sechs, der siebte steht schon bereit. Viele Höfe sind in Bienen inzwischen "platt gemacht", Aufnahmen der Anwesen fehlen dem Stadtarchiv. Nicht so vom Kemnadenhof, der im Krieg zerstört wurde. "Noch eine Mauer steht vom Hof, er wurde nach dem Krieg an der Emmericher Landstraße 75 wieder neu errichtet", weiß Mey. Heute hat die Bienenerin kein Problem, bei Nachkommen "anzuklopfen" und nach alten Unterlagen oder Fotos zu fragen. "Einmal habe ich ein Ölgemälde von der Wand abnehmen und im Auto mit ins Stadtarchiv nehmen dürfen, damit es fotografiert werden kann. Es war die Ansicht eines Hofes vor dem Krieg", erinnert sich die Ehrenamtlerin. Und manchmal macht sie sich selbst mit der Kamera auf den Weg, fotografiert schnell noch ein Haus auf der Niederstraße, bevor es abgerissen wird, und hält eine Baulücke im Bild fest, bevor diese mit einem Haus geschlossen wird.

Auch die alte Schleuse liegt ihr am Herzen. "Schön wäre es, wenn sie wieder aufgebaut werden könnte", wünscht sie sich wie viele Bienener auch. "Schließlich ist es ein Stück Geschichte." Warum sie sich so gut an die Gutshäuser erinnert? "Im Kindergarten hatten wir Heimatkunde und da haben wir im Sandkasten das Dorf in den Sand gemalt und die Höfe eingezeichnet", beschreibt sie den anschaulichen Unterricht.

Tina Oostendorp freut sich, dass durch die Arbeit in ihrem Archiv das Interesse für Geschichte geweckt wird. Heti Mey liebt ihre Arbeit. "Es ist das Schöne am Ehrenamt; dass man nicht muss, aber kann. Und sich auch mal leisten kann zu sagen: ,Dazu habe ich heute keine Lust'", erzählt die 67-Jährige.

Und zeigt eine Fotografie, die die letzte Beisetzung mit dem Pferdewagen zeigt. "Es war der Wunsch von Theodor Lueb, dass sein Sarg auf dem Pferdewagen zum Friedhof gefahren wird. Das war im Jahr 1982."

(ha)
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