Heimat entdecken in Emmerich Seit 40 Jahren ist sie Vrasselts Bücherfee

Emmerich · Josefine Essing übernahm im Jahre 1975 übergangsweise die Leitung der Pfarrbücherei in Vrasselt. Daraus ist schnell ein Dauer-Engagement geworden. Sie liebt nicht nur Bücher, sondern auch den ständigen Austausch mit den Kunden.

Heimat entdecken in Emmerich: Seit 40 Jahren ist sie Vrasselts Bücherfee
Foto: van Offern, Markus (mvo)

Für Josefine Essing ist Heimat dort, wo sie das Miteinander der Menschen spürt und erlebt. "Wenn ich durch Vrasselt fahre oder laufe, wird von allen Seiten gerufen und gewunken. Der eine unterbricht seine Arbeit und hat Zeit für ein Gespräch, der andere lädt spontan zum Kaffee ein oder man sitzt gemeinsam auf einer Gartenmauer und unterhält sich", sagt die Seniorin, die in Vrasselt geboren ist und dort auch wohnt. In diesem Ort ist sie tief verwurzelt, erlebt Heimat und Eingebundensein, tut aber auch selbst sehr viel, damit sich die Menschen hier wohlfühlen. Neben verschiedenen Aktivitäten in der Gemeinde - unter anderem besucht sie kranke Menschen und singt im Kirchenchor - betreut sie seit 40 Jahren die kleine, feine Pfarrbücherei.

Die Anfänge der Bücherei gehen zurück auf Pfarrer Hugo Fugmann, der 1918 nach Vrasselt kam und der der zweite Pastor des Dorfes war. "Ältere Vrasselter können sich erinnern, dass sie sich als Kinder nach der Christenlehre im Pfarrhaus Bücher ausleihen durften", sagt Josefine Essing, die im Dorf von fast allen "Fine" genannt wird.

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich Berta Kuypers, die als Lehrerin jahrzehntelang mit Vrasselt verbunden war, daran, im damaligen Schulgebäude - das an der Reeser Straße, dort wo heute das Pfarrheim ist, stand - mit Unterstützung der Fachstelle für das katholische öffentliche Büchereiwesen in Münster, eine Bücherei aufzubauen. Der Buchbestand war zu Beginn eher bescheiden, aber die Ausleihen sehr hoch. "Die sehr abgegriffenen Karl-May-Bände, die damals in den Regalen standen, zeugten von ehemals sehr eifriger Benutzung", sagt Josefine Essing, die nach der Schule den Beruf der Bankkauffrau erlernte.

Nach einigen Jahren wurde sie Pfarrsekretärin im Pfarrbüro St. Aldegundis und blieb für acht Jahre. "Es war eine bewegte Zeit, ich arbeitete unter Dechant Rogmans. Ich lernte viele Emmericher Familien kennen und machte bei den Ferienfreizeiten mit." Auch in ihrer heimatlichen Pfarrgemeinde St. Antonius Vrasselt war sie sehr aktiv, engagierte sich im Pfarrgemeinderat und gehörte 18 Jahre dem Kirchenvorstand an. "1975 wurde jemand für eine Übergangszeit für die Bücherei gesucht. Ich übernahm das gerne." Diese "Übergangszeit" dauert bis heute an.

Nach dem Abriss des Schulgebäudes - auch Josefine Essing besuchte hier die Grundschule - stellte Pfarrer Josef Wulf der Bücherei einen Mehrzweckraum im Pfarrhaus zur Verfügung, der bis zum Neubau des Pfarrheimes im Jahre 1981 genutzt wurde. Die Leiterin der Bücherei kann sich gut an den Umzug erinnern. "Viele Gemeindemitglieder, darunter etliche Schüler, standen in einer langen Reihe zwischen dem Pastorat und dem neuen Pfarrheim und die Bücher wurden von Hand zu Hand gereicht", erzählt sie. Gleich im ersten Jahr veranstaltete das Bücherei-Team dann die erste Buchausstellung, die sich in diesem Jahr im November zum 35. Mal jährt. "Anfang November feiert Karl Borromäus, der Schutzpatron der Büchereien, seinen Namenstag. Um diesen Termin herum findet dann ein 'Buchsonntag' statt", erklärt Essing.

Ihr steht mit Birgit und Alexandra Lindeboom, Maria Gläser, Ursel Elbers, Sina Hellebrand, Anke Steigerwald, Ricarda Tenbrink und Dennis Schepers, der bereits seit seinem zwölften Lebensjahr dabei ist, ein engagiertes ehrenamtliches Team zur Seite. Der nächste "Buchsonntag" findet am 8. November von 11 bis 17 Uhr im Pfarrheim Vrasselt statt. Dort wird unter anderem eine kleine Auswahl an neu erschienenen Büchern vorgestellt.

Das ganze Team ist dabei, wenn neue Bücher für die Bücherei gekauft werden. Früher fuhren sogar einige Teammitglieder zur Frankfurter Messe. "In den Anfangszeiten gab es nur wenige vernünftige Kinderbücher. Diese Sparte hat sich in den letzten 20 Jahren sehr entwickelt", sagt Essing. Leider lesen Kinder immer weniger, hat sie festgestellt. Deshalb bietet sie Projekte an. So kommen am ersten Mittwoch im Monat die Kinder des benachbarten Familienzentrums St. Antonius in die Bücherei. "Und so manches Kind erscheint dann am Ausleihsonntag mit den Eltern oder Großeltern, um sich Bücher auszusuchen", freut sich die Vrasselterin, die selber gerne Geschichten über Frankreich liest und auch mindestens 50 Prozent der neu erworbenen Bücher kennt, um Ratschläge erteilen zu können. "Bücher sind lebendig", sagt sie. "Für mich bedeuten sie Erholung und Entspannung."

Meistens sind es heute ältere Leute, die nach Leselektüre suchen. Und dabei ist immer Zeit für ein Gespräch. "Oft werde ich mit 'Hast Du schon gehört' begrüßt und erfahre dann die neuesten Nachrichten", schmunzelt Josefine Essing. Wobei die Menschen so auch in der Bücherei ein Stückchen Heimat erleben, weil man hier immer jemanden zum gemütlichen Plausch trifft.

(moha)
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