Gelderland Bürger werden altes Styropor nicht mehr los

Gelderland · Seit dem 30. September gelten neue Regeln für Dämmstoffe mit dem Flammschutzmittel HBCD. Deponien dürfen sie nicht mehr annehmen. Bürger ratlos. Für die Verbrennung drohen viel höhere Preise.

 In älteren Dämmplatten aus Styropor befindet sich das problematische Flammschutzmittel HBCD.

In älteren Dämmplatten aus Styropor befindet sich das problematische Flammschutzmittel HBCD.

Foto: dpa/Venn

Der Wankumer Bürger, der den Grünen-Ratsherrn Ludwig Ramacher am Samstagabend anrief, war ratlos. Er wollte nach einem Umbau Säcke mit Styropor auf der Ponter Deponie der Kreis Klever Abfallwirtschafts-GmbH (KKA) abgeben. Und musste den Abfall wieder mitnehmen.

Denn seit dem 30. September greift eine Gesetzesänderung, wonach Dämmstoffe aus Polystyrol, zum Beispiel Styropor und Styrodur, als Sonderabfall eingestuft werden. Betroffen sind laut KKA davon zwar nicht Verpackungen aus Styropor, jedoch unter anderem Materialien aus der Dach- und Fassadendämmung, Heizungsverkleidungen und von Fußbodenheizungen, und zwar wegen des in ihnen enthaltenen Flammschutzmittels Hexabromcyclododecan (HBCD). Diese Chemikalie wird in der Umwelt nur langsam abgebaut, ist für Organismen giftig und reichert sich in ihnen an. HBCD-haltige Dämmstoffe dürfen nicht mehr in den Mischabfall, sondern müssen gesondert entsorgt werden, wobei Nachweispflicht besteht. Weder das KKA-Entsorgungszentrum in Pont noch das in Moyland darf diese Styropor-Abfälle noch annehmen.

Gelderland: Bürger werden altes Styropor nicht mehr los
Foto: Venn J.

KKA-Mitarbeiterin Gabriela Thoenissen hat seit ihrer Rückkehr aus dem Urlaub vor zwei Wochen nach eigener Aussage nichts anderes zu tun, als die Bürger zu vertrösten. Lösungen kann die KKA jedoch ebenso wenige anbieten wie jegliche Kommunalverwaltung. "Die Bürger können zurzeit nur abwarten, den Abfall zum Beispiel in einem Schuppen lagern", so Geschäftsführer Hans-Peter Boos.

Er spricht von einem "deutschen Phänomen": Es würden Gesetze erlassen, ohne sich zu überlegen, wie diese auch praktikabel umgesetzt werden können. Die Schuld sieht der Abfallexperte bei den Bundesländern. Sie hätten die Gesetzesänderung im Bundesrat gegen den Widerstand des Bundesumweltministeriums nachträglich eingefügt. "Kein Mensch hat sich Gedanken gemacht, wie der Sonderabfall behandelt und entsorgt wird."

Im Mischabfall, wie er bis Ende September erlaubt war, ist laut Boos das Dämm-Material für die Verbrennungsanlagen kein Problem gewesen. Doch wenn der Stoff als "Monocharge", also quasi sortenrein, angeliefert werde, sei zu dessen Beseitigung solch große Hitze erforderlich, dass die Roste in den Anlagen durchbrennen würden. Die Verbrennungsanlage in Oberhausen weist solche Lieferungen daher zurück. Ebenso sieht es bei der Verbrennungsanlage Asdonkshof aus, die außerdem generell nur Abfall aus dem Kreis Wesel annimmt, berichtet Boos.

Viel höhere Entsorgungskosten sieht er auf die Anlieferer zukommen. Ein Problem nicht zuletzt für Handwerksbetriebe, die ihre Kostenkalkulationen auf der Basis der alten Deponiegebühren erstellten. Boos: "Eine Tonne Baumischabfall schlug früher mit 150 bis 200 Euro zu Buche. Jetzt sind für die Verbrennung einer Tonne Monocharge an HBCD-Dämmmaterialien 2000 bis 5000 Euro im Gespräch."

Als Ausweg fallen ihm momentan nur Sondergenehmigungen ein, wie sie in Bayern und Baden-Württemberg diskutiert werden.

(RP)
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