Issum "Facettenreich" in den Startlöchern

Issum · Die letzten Vorbereitungen laufen: Nach den Sommerferien geht es los für die freie Gesamtschule in Sevelen. Das Konzept unterscheidet sich sehr von staatlichen Schulen. Damit haben die beiden Initiatoren viele Eltern überzeugt.

 Lernumgebung statt Klassenzimmer, freies Lernen statt Frontalunterricht: Hier begleiten Tina Liehr und Olaf Peim bald ihre Schüler beim Lernen.

Lernumgebung statt Klassenzimmer, freies Lernen statt Frontalunterricht: Hier begleiten Tina Liehr und Olaf Peim bald ihre Schüler beim Lernen.

Foto: Seybert

In den Räumen der freien Gesamtschule Facettenreich deutet wenig darauf hin, dass hier bald Schüler sitzen und lernen sollen. Die unterscheiden sich nämlich so ziemlich grundlegend von dem, was man gemeinhin als Klassenzimmer versteht. Tischreihen, Tafel und Lehrerpult sucht man vergebens. Stattdessen gibt es Sofas, Gruppentische und jede Menge Bücher und Spiele in den Regalen. Das alles ist Teil des Konzepts der neuen Schule.

Nach den Sommerferien geht in dem Gebäude der dann ausgelaufenen Käthe-Kollwitz-Schule der Schulbetrieb für "Facettenreich" los. Vorbereitet haben das die beiden Lehrer Olaf Peim und Tina Liehr, die bis zu den Ferien noch Lehrer an der Europaschule in Rheinberg sind. Das klassische Schulsystem war ihnen zu unflexibel. Schule sollte in ihren Augen kindgerechter sein und Bildung ganz anders gestaltet. Also suchten sie einen Weg, ihre Visionen umzusetzen, sagt Peim: "Wir haben gesehen, dass es anders geht. Wir waren bei vielen Schulen in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Bei freien und auch staatlichen."

Nach diesen Erfahrungen war dann der Mut da, den Schritt zur eigenen Schule zu gehen. Tina Liehr: "Die Kinder lernen da einfach, weil sie lernen wollen. Und weil sie sich kompetent fühlen wollen und Freude daran haben, mit anderen was rauszufinden." Die künftigen Schüler der Facettenreich-Schule haben zum Beispiel keine Hausaufgaben und auch keine Stundenpläne. "Das 45-Minuten-Schulstunden-Raster erfordert von einem Schüler, seine Motivation per Gongschlag von Mathe auf Englisch zu wechseln. Obwohl er vielleicht gerade in Mathe etwas anfängt zu verstehen. Das ist nicht gehirngerecht", sagt Peim. Also steht freies Lernen auf dem Plan - die Lehrer werden hier zu "Lernbegleitern". Statt um Punkt acht Uhr morgens mit Mathe, Englisch oder Deutsch anzufangen, haben die Schüler hier "Gleitzeit": Zwischen 7.30 und 8.30 Uhr gibt es Frühstück. Die Kinder entscheiden selbst, wann sie kommen. Auch um das Mittagessen kümmern sich die Schüler selbst - suchen Rezepte raus, kaufen ein, führen Haushaltsbuch und kochen selber - und lernen so ziemlich lebensnah neben Mathematik auch noch Organisation, Planung und Wirtschaft. Geplant sind außerdem ein Schulgarten sowie, Vereine und Menschen aus Issum in das Schulleben einzubinden: Liehr: "Wir möchten fester Bestandteil der Gemeinde sein."

Mit Kuschelpädagogik hat das Ganze wenig zu tun. Die Schüler machen Prüfungen, kriegen Noten und können sogar ihr Abitur an der Schule machen. Peim: "Das ,Was' ist das gleiche wie an anderen Gesamtschulen auch. Wir orientieren uns an den gleichen Kernlehrplänen, an den gleichen Fächern. Nur das ,Wie', die Umsetzung - sei es bei den Räumen oder bei der Leistungsüberprüfung - da haben wir Spielraum." Zu den Noten gibt es zum Beispiel noch ausführliches Feedback zum Lernstand.

Die Eltern aus dem Gelderland scheinen überzeugt: Schon im Dezember hatte Facettenreich doppelt so viele Anmeldungen wie Plätze. Die 32 künftigen Schüler kommen aus Issum und Sevelen, einige auch aus Straelen, Geldern und Aldekerk. Lernbegleiter sind Liehr und Peim hauptsächlich alleine. Für Fachunterricht kommen stundenweise andere Lehrer hinzu. Mit der Zeit soll das Kollegium wachsen. Peim: "Ziel ist, dass in den Fachräumen wie Physik oder Chemie immer ein Lehrer da ist. Damit die Schüler jederzeit da arbeiten können."

(RP)
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