Geldern Gelderns Stellwerk wird zum Bistro

Geldern · Die Mauern atmen Historie. Wo früher der Schrankenwärter saß, könnten demnächst Geburtstage gefeiert werden. Eine kleine Gastronomie soll entstehen. Direkt nebenan entsteht ein modern saniertes Wohnhaus für den Pächter.

 Von außen ist die Veränderung schon sichtbar, die das alte Stellwerk und das Wohnhaus erleben. Im Sommer könnte schon alles fertig sein. Gesucht wird noch ein Pächter für die Gastronomie.

Von außen ist die Veränderung schon sichtbar, die das alte Stellwerk und das Wohnhaus erleben. Im Sommer könnte schon alles fertig sein. Gesucht wird noch ein Pächter für die Gastronomie.

Foto: Seybert Gerhard

Der Ausblick lässt das Herz eines jeden Eisenbahnfreundes höher schlagen und sicher vieler Gelderner. Rechts liegen Schienen, links der Holländer See, der Blick geradeaus: noch mehr Schienen. Das alles ist von einem lichtdurchfluteten Raum aus zu sehen, in dem früher der Schrankenwärter saß.

Im Gelderner Stellwerk Süd tut sich was. Im Untergeschoss entsteht ein Bistro, eine willkommene Stätte für ein Kaffeepäuschen für die zahlreichen Spaziergänger, die eine Runde um den Holländer See drehen. Michael Stewering ist der Mann, der dem alten Stellwerk neues Leben einhaucht und der mit viel Liebe zum Detail den Innen- und Außenbau vorantreibt. "Ich konnte das nicht liegen lassen", sagt er über das Gebäude, an dem er seit seiner Kindheit tag-täglich vorbeikommt. Er wohnt in der Nachbarschaft. "Ich habe mindestes schon drei Wochen meines Lebens wartend vor den Bahnschranken gestanden", sagt er und schmunzelt. Bereits 2005 hatte er angefragt, was mit dem Stellwerk passieren soll. Damals war es noch in Betrieb. Lange hörte er nichts mehr davon. Vor zwei Jahren kam die Anfrage, ob er noch interessiert sei. War er. "Zu schade, um es abzureißen", fand er. "Es ist durchaus ein Wahrzeichen. Wenn man mit der Bahn nach Geldern reinfährt, ist es das erste was man sieht", sagt der Gelderner. Ein Stück Bahnhistorie sei es und in Geldern einzigartig. "Es gibt manche Gebäude in der Stadt, die billig eingekauft und aus denen nichts gemacht wurde", sagt er wehmütig. Dieses Schicksal wollte er dem Stellwerkhäuschen ersparen.

 Die Arbeiten im Innenbereich schreiten schnell voran. Im Stellwerkhäuschen entsteht unten ein Bistro, oben wäre Platz für Veranstaltungen.

Die Arbeiten im Innenbereich schreiten schnell voran. Im Stellwerkhäuschen entsteht unten ein Bistro, oben wäre Platz für Veranstaltungen.

Foto: Seybert

Mit der Sanierung hat Stewering im Oktober 2015 begonnen. Von der Bausubstanz ist er begeistert. "Die Fundamente des Hauses sind dafür ausgelegt, dass sie den vorbeirollenden Güterverkehr aushalten", sagt er und zeigt auf die beeindruckend dicken Mauern. Heute rollen allerdings keine schwergewichtigen Güterwaggons mehr über die Strecke, sondern alle halbe Stunde die Nordwestbahn. Davon ist im nebenliegenden Wohngebäude dank Dreifachverglasung kaum etwas zu vernehmen.

Wenn die beiden Gebäude, Stellwerk- und Wohnhaus, fertig renoviert sind, will Stewering sie als Gesamtpaket verpachten. In das Stellwerk soll unten das Bistro einziehen. Die alte Kurbel, mit der die Schranke mechanisch hochbewegt wurde, soll dort wieder Platz finden und auch das alte Benachrichtigungstelefon. "Per Telefon wurde der Wärter vom nächsten Stellwerk angewiesen, die Schranken zu schließen oder zu öffnen", erklärt der Bauherr. Erhalten bleibt auch das Flair durch die 4,50 Meter hohen Decken und die Sprossenfenster. Stewering geht nach draußen. Von außen ist ein großes Fenster in das Stellwerkhäuschen eingelassen. Von da aus kann der Verkauf stattfinden. "Wie ein Büdchen", stellt er sich das vor. Nicht nur die Spaziergänger und die Schüler des naheliegenden Berufskollegs sollen von Kaffee und Snacks profitieren, sondern auch die Nachbarschaft im neu entstandenen Nierspark. "Versorgung sonntags mit frischen Brötchen", könne er sich vorstellen, so Stewering. Die Gastronomie werde zur Urbanisierung des Gebietes beitragen, ist er überzeugt. Der Pächter soll dort nicht nur eine kleine Gastronomie mit Außenterrasse betreiben können, sondern im Wohnhaus nebenan leben. Mit viele Liebe zum Detail hat Stewering das Haus aufgewertet. Den Eingangsbereich ziert eine Säule, die vom Abbruch eines Hauses aus dem Jahr 1880 stammt. Der Dachstuhl ist energetisch ausgebaut, der Anschluss eines Ofens möglich, das Bad modern, das Obergeschoss hat eine große Holzterrasse. Der Kohlenkeller ist zum Weinkeller umgebaut und rundherum gibt es ein Riesenstück Garten, in dem früher der Schrankenwärter sein Gemüse anbauen konnte. Ein Kellerraum der ehemals vergessen und zugemauert war, dient demnächst als Wäschekeller.

Im Sommer könnten schon die ersten belegten Brötchen auf der Terrasse verzehrt werden, überlegt Stewering laut. Dann sollen die Arbeiten an dem Schmuckstück der Bahngeschichte abgeschlossen und ein Pächter gefunden sein.

(RP)
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