Goch Ausschuss lehnt Jury-Entscheidung ab

Goch · Gerechnet worden war mit einer kurzen Sitzung, in der der Hauptausschuss beschließt, was die Findungskommission erarbeitet hatte. Doch es kam anders: "Neu-See-Land" als Name für das Gelände der Kaserne sagte der Mehrheit nicht zu.

 Überraschende Entwicklung im Gocher Ausschuss.

Überraschende Entwicklung im Gocher Ausschuss.

Foto: EVERS

Seit einigen Tagen kannten die Ratsmitglieder den vermeintlichen neuen Namen des künftigen Gocher Wohngebiets: Unter 144 Einsendungen hatte die Jury nach zwei langen Sitzungen Jens Krystofs Vorschlag "Neu-See-Land" ausgewählt. Die erste Straße der Siedlung sollte nach seiner Meinung "Seeallee" heißen. Das trug Bürgermeister Ulrich Knickrehm in öffentlicher Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auch so vor. 250 Euro als Anerkennung für die kreative Leistung und seinen Namen in einer Messingplakette graviert konnte Krystof erwarten.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen, denn CDU, SPD und FDP sahen sich außerstande, das Wettbewerbsergebnis hinzunehmen. "Der Vorschlag ist uns zu sehr auf den See ausgerichtet. Er ignoriert die Historie des Geländes. Außerdem haben drei Bürger den Straßennamen ,Seeallee' vorgeschlagen, so dass wir drei Preise vergeben müssten", erklärte Katharina Pleines (geb. Verhoeven). "Die CDU-Fraktion ist der Meinung, wir sollten die Namensgebung dem Gocher Volksmund überlassen, wie sich im Laufe der Zeit schließlich auch eine ,Marmeladensiedlung' oder das ,Legoland' ergeben haben."

Knickrehm rang sichtlich um Fassung und erinnerte daran, dass der Hauptausschuss im vergangenen Jahr einstimmig das Wettbewerbsverfahren beschlossen habe. Eindeutig sei festgelegt und den Bürgern in Schriftform mitgeteilt worden, dass eine Jury, die sich aus Vertretern des Rates, der Kultur, des Heimatvereins und der Wohnungswirtschaft zusammensetzt, einen Vorschlag auswählen würde. Aus rechtlichen Gründen - weil die Benennung von Straßen nun einmal Sache der Politik sei - sollte der Ausschuss die Entscheidung absegnen. "Wenn das Ergebnis nun nicht akzeptiert wird, sehe ich als einzige Möglichkeit, den Wettbewerb aufzuheben", folgerte Knickrehm.

Aber die CDU-Fraktion musste nicht lange auf Schützenhilfe warten. Ferdinand Heinemann (FDP) merkte an, auch ihm fehle der Bezug zur Geschichte des Geländes, das für jeden Gocher dauerhaft mit der Kaserne verbunden sei.

"Rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln", beklagte wiederum Udo Wennekers aus der Bürgermeister-Partei BFG. "Wir haben uns doch auf eine Vorgehensweise geeinigt. Was soll denn der Bürger denken, wenn wir dazu jetzt nicht mehr stehen?" Seiner Ansicht nach könne es auch in einem "Neu-See-Land" Straßennamen wie "Alte Wache" als Bezug zum früheren militärischen Standort geben.

Klaus-Dieter Nikutowski, Fraktionsvorsitzender der SPD, gefielen schon die Trennstriche im vorgeschlagenen Namen nicht. "Man würde das Viertel ,Neuseeland' aussprechen, und wie sollen das auswärtige Interessenten verstehen?" Auch er halte den historischen Bezug für unverzichtbar, frage sich zudem, ob eine ,Seeallee', die schließlich mit Bäumen auf beiden Seiten der Straße zu tun habe, überhaupt den Fakten entsprechen werde. Geplant sei eine Bepflanzung auf einer Seite, erklärte Wolfgang Jansen von der Stadtentwicklungsgesellschaft.

Hilde Fielenbach von den Grünen unterstützte als einzige den Bürgermeister und seine Fraktion. "Wir haben doch die Namensfindung durch eine Jury beschlossen. Die Aufgabe wurde den Bürgern an die Hand gegeben und eigens eine Jury aus Vertretern verschiedener Bereiche gebildet. Warum soll denn jetzt plötzlich wieder die Politik am Zuge sein?"

Ludwig Kade (ZIG) brachte das Dilemma auf den Punkt: "Wir haben den Fehler in der Vergangenheit selbst gemacht. Hätten wir das Thema enger vorgegeben oder der Jury aufgetragen, uns mehrere Vorschläge zu unterbreiten, gäbe es kein Problem. Wir haben uns selbst ins Abseits katapultiert."

Der Bürgermeister, "Herr des Verfahrens", wie er anmerkte, fragte in die Runde: "Wie sollen wir das den Bürgern erklären? Jetzt passiert genau das, was wir nicht wollten: eine politische Streit-Debatte. Ein Eklat wäre aber nicht im Sinne der Sache." Auf Antrag der SPD-Fraktion, dem sich die CDU anschloss, soll eine weitere Hauptausschuss-Sitzung am 2. Mai eine Entscheidung herbeiführen. Es eilt, so die Verwaltung, weil die ersten künftigen Bewohner Anschlüsse bei Telefon- und Gasversorgern bestellen möchten. Dazu müssen sie einen Straßennamen angeben.

Jens Krystof erfuhr von seinem Fast-Gewinn gestern Morgen übrigens von der RP. "Dass das Viertel und die Straße nun anders heißen werden, damit kann ich leben. Dass mein ideeller Input anerkannt wurde, nun aber doch nicht honoriert wird - na, ja. Aber diese Inkonsequenz finde ich sehr bedenklich. Wenn man sich auf ein Verfahren einigt, akzeptiert man damit doch vorab das Ergebnis. Diese Vorgehensweise dürfte den Bürgern schwer zu vermitteln sein", so Krystof.

Mit seinem Namensvorschlag - weg von der militärischen Vergangenheit - habe er ein Aufbruchsignal liefern wollen.

Das Thema Kaserne lag deutlich abgeschlagen auf Platz zwei.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort