Goch/Weeze Schicker Neubeginn im Petrusheim

Goch/Weeze · Die Bewohner des Weezer Petrusheim, meist frühere Obdachlose, dürfen ihren Lebensabend nun in einem schönen Haus verbringen. Sie freuen sich über Einzelzimmer und eigene Bäder - und Bier trinken bleibt ihnen weiterhin erlaubt.

Heinz Bongaerts ist umgezogen. Nicht allein, sondern mit 93 Mitbewohnern. Der Weg von der einen Wohnung zur anderen war nicht weit, und die Männer haben kein großes Aufhebens um die Aktion gemacht. Was "Heimat" ist und "wohnen" bedeutet, da haben sie so ihre ganz besonderen Erfahrungen und Vorstellungen. Deshalb nahmen sie den Tapetenwechsel eher gelassen. Mit dem Ergebnis sind die Weezer nun aber doch sehr zufrieden: "Es ist schöner jetzt als früher", sagt Bongaerts. "Vor allem, dass jeder sein eigenes Zimmer hat, ist eine gute Sache."

Ein ganz besonderes Altenheim hat ein neues Gebäude für seine Bewohner errichtet. Es wird am heutigen Abend offiziell eröffnet: Weezes Petrusheim, eine Einrichtung der Nichtsesshaftenhilfe des Rheinschen Vereins, geht von nun an mit der Zeit. Oder schreitet ihr sogar voran: Einzelzimmer mit Nasszelle, breite Flure, ganz viel Licht, Gruppen- und Therapieräume, Friseurstube, Stationsküchen und Aufenthaltsräume, dazu ein Speisesaal, in dem auch auswärtige Gäste Kaffee und Kuchen bekommen. Hinter dem fast völlig aus Glaswänden bestehenden Essensbereich erstreckt sich ein geschmackvoll bepflanzter Innenhof samt riesigem Wasserbecken, über dessen Oberfläche der Blick Richtung Wald geht. Alles ganz modern in frisch grüner Farbgestaltung.

Im Vergleich zu früher scheint mehr Leben im und am Haus zu sein: Bewohner, Besucher und Personal sitzen auf der Terrasse vor dem Speisesaal, die ersten Radfahrer haben das neue Petrusheim schon als Pausenstation entdeckt. Wer in der beliebten Metzgerei des Hauses einkauft, kehrt hier fast mit Sicherheit ein. Und wenn am Samstag, 22. November, der traditionelle Basar stattfindet, werden die Gäste die neuen Räume mit Sicherheit bestaunen und sich zu Kaffee oder Grünkohl niederlassen.

Zurück zu Heinz Bongaerts. Seit mehr als zehn Jahren lebt der Rollstuhlfahrer im Petrusheim. Sein altes Zimmer wird wie der gesamte Altbau renoviert, damit dort demnächst diejenigen einziehen können, die jetzt noch in der "kleinen Kolonie", den ältesten Gebäuden, leben, die abgerissen werden müssen. Bongaerts ist froh darüber, jetzt selbst entscheiden zu können, wieviel "Geselligkeit" er will: "In Zweibettzimmern ist es unterhaltsamer, aber da ist eben manchmal auch richtig Party, wenn einige ein paar Bier zu viel hatten. Jetzt guck' ich aus dem Fenster meines Zimmers und hab' dabei Spaß genug." Das Petrusheim ist eine "nasse" Einrichtung, den Bewohnern sind Bier und Wein nicht verboten. Sie können sich auch - auf eigene Kosten - im neuen Kiosk damit eindecken. Und tun das auch. "Alkohol nicht zu verbieten ist unsere Besonderheit. Hier leben erwachsene Menschen mit schwieriger Vergangenheit. Wer sind wir, ihnen Vorhaltungen zu machen?" fragt Leiterin Beate Jussen. Geraucht werden darf aber nicht - aus Brandschutzgründen.

Altenpflegerin Gabi Janssen hat den Eindruck, dass die Bewohner seit dem Umzug deutlich zufriedener sind. "Auf die Einzelzimmer haben sie lange warten müssen." Geschmunzelt wird gelegentlich über die Namen der Stationen: München, Hamburg, Köln, Berlin. "Köln ist okay, das kennen einige vom ,Platte machen'. Aber Münchens Schickeria ist zugegeben weit entfernt von der Lebenswirklichkeit unserer Bewohner", sagt die Chefin schmunzelnd.

Auch die Wasserfläche im Innenhof ruft schon mal Spötteln hervor: "Hier fühlt man sich wie am Mittelmeer, bis abends die Pumpe ausgestellt wird", merkt Helmut Posser an.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort