Hückelhoven Thema "Ecce Homo" aktueller denn je

Hückelhoven · Wie in jedem Jahr haben sich die Künstler der Vereins Canthe für ihre Jahresausstellung im Alten Rathaus in Ratheim wieder ein Thema gestellt. Die Assoziationen zum biblischen Pilatus-Spruch fallen aktuell und vielschichtig aus.

 Renate Schell (r.) gehört zur Canthe-Künstlergruppe, die zur Zeit im Alten Rathaus in Ratheim ausstellt. Hier erläutert sie Besuchern ihr Werk "Aufbruch-Ohne Titel-Ankunft".

Renate Schell (r.) gehört zur Canthe-Künstlergruppe, die zur Zeit im Alten Rathaus in Ratheim ausstellt. Hier erläutert sie Besuchern ihr Werk "Aufbruch-Ohne Titel-Ankunft".

Foto: Jürgen Laaser

"Siehe, der Mensch!" Die lateinische Übersetzung des Ausspruches "Ecce Homo" wählte die Künstlergruppe innerhalb des Kunstvereins Canthe als Thema für die traditionelle Gemeinschaftsausstellung zum Jahresabschluss - nicht ohne kräftige Diskussionen, wie Canthe-Vorsitzender Helmut Neußer eingangs bei der Eröffnung der Schau im Alten Rathaus in Ratheim darlegte.

Schließlich sei das Thema "Mensch" aktueller denn je. "Müssen wir das nicht täglich laut in die Welt schreien?", fragte Neußer. Auch der Aachener Kunsthistoriker Josef Gülpers machte in der Werkeinführung die Aktualität der Worte deutlich, die seit fast 2000 Jahren zur Geschichte des Christentums gehören, gesprochen vom Römischen Statthalter in Palästina, Pontius Pilatus.

Josef Gülpers wertete die Worte des Statthalters aus der christlichen Geschichtsschreibung bzw. den Legenden als "vergeblichen Appell ans blutgierige Volk" in Judäa, seine Forderung nach der Kreuzigung des des Hochverrats angeklagten Jesus' zurückzunehmen. Angeklagt war Jesus von den Judäern, sich als König ausgegeben und damit Hochverrat am römischen Kaiser begangen zu haben. Pilatus hatte nach der Legende Jesus foltern lassen, sah aber keinen Grund zu dessen Tötung, da er kein König, sondern Mensch sei: "Siehe, der Mensch!" Der Ausgang der Legende ist bekannt...

In einem Rundgang durch die drei Räume des Kunstkabinetts Altes Rathaus stellte Gülpers den rund 70 Eröffnungsgästen seine Ausdeutungen der Arbeiten von zehn der elf Canthe-Künstler dar, die völlig unterschiedliche Motive, Materialien und Techniken gewählt hatten, ließ auch die Arbeitsprozesse anklingen, auch, dass die Schöpfer mit ihren Werken regelrecht gerungen hätten. Was durchaus sichtbar wird, denn die Todes-Gefahr, die Todes-Dramatik der Urgeschichte aus der christlichen Karwoche vor Ostern spiegelt sich in Skulpturen, Ölbildern, reliefartigen Wandkisten, Fotos, Foto-Installationen wider. Aktuelle Bezüge zu den Flüchtlings-Massenbewegungen, zum Flüchtlingselend werden direkt sichtbar.

Bei aller Unterschiedlichkeit ziehen sich weit überwiegend schwarz-weiß-graue Töne durch die Werke, lediglich Miroslav Sigurt und Henning Herzberg de Pers wählen fast explodierende Farben für ihre Bilder, Dramatik auf Höhen treibend, religiöse Bilderverbote konterkarierend.

Der Mensch im Mittelpunkt, die Würde des Menschen über allem - den entsprechenden Ersten Artikel des Deutschen Grundgesetzes stellte Josef Gülpers in Kontrast zu den zehn Geboten des Christentums, bei denen der Gott sich im ersten Gebot selbst über alles stelle.

(isp)
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