Serie Vor 140 Jahren Neugotische Kirchen als Symbole des Sieges

Wie komplex Verlauf und Wirkung des langjährigen Kulturkampfes waren, lässt schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis von Eleonore Föhles' empfehlenswertem Buch erahnen. Erhebliche Auswirkungen hatte er vir allem im Rheinland auf die kraftvolle Entwicklung des katholischen Vereinswesens, wodurch die Kirche schließlich einen einzigartigen Organisationsgrad nach Geschlechtern, Berufen und Altersgruppen erreichte. Vom Kind bis zum Greis, vom Arbeiter bis zum Akademiker war für alle irgendein katholischer Verein vorhanden. Traditionelle Kult- und Frömmigkeitsformen wurden neu belebt und bekamen einen politischen Akzent.

Beeinflusst wurde auch das Verhältnis von Protestanten und Katholiken, die zeitweise in einen noch heftigeren Gegensatz gerieten. Die Parteienlandschaft veränderte sich massiv. In der Abgrenzung zu den Katholiken konnten auch die Liberalen, ihre eigentlichen politischen Gegner, an zusätzlichem Profil gewinnen.

Im preußischen Abgeordnetenhaus gestaltete sich das Parteiengefüge neu. Wichtig aber vor allem ist, dass das Zentrum, die Partei der Katholiken, aus den Jahrzehnten des staatlich-kirchlichen Konfliktes als die dominierende politische Kraft am Niederrhein hervorging. Resümierend kommt Eleonore Föhles zu dem Schluss: "Alles in allem wird man sagen können, dass der kirchenpolitische Feldzug die Zielsetzungen der Gesetzgeber gründlich verfehlte, ja er bewirkte mit der Zementierung des katholischen Milieus das genaue Gegenteil".

Hierzulande waren die folgenden Jahrzehnte gekennzeichnet von demonstrativem Selbstbewusstsein der katholischen Gemeinden, was zum Beispiel im Bau großer neugotischer oder neoromanischer Kirchen seinen jedermann sichtbaren Ausdruck fand. Die Silhouetten der Städte und Dörfer prägend, erinnern sie bis heute an den nicht erklärten, tatsächlich aber davon getragenen Sieg der Katholiken, die unter der Führung eines zur Versöhnung neigenden Papstes Leo XIII. und angesichts einer nach und nach einlenkenden Berliner Regierung auch wieder zu Preußen fanden.

Ein besonders apartes Beispiel, wie feinsinnig und ironisch sich der Widerstand artikulierte, ist die große Wallfahrtsbasilika von Kevelaer, die für sich allein schon eine katholische Machtdemonstration darstellt.

Karikaturen der wichtigsten politischen Gestalten auf preußischer Seite dienen hier als stützende Konsolsteine der mächtigen Orgelempore: Wilhelm I., Bismarck, Kultusminister Falk, Feldmarschall Moltke, Kriegsminister Roon.

Die Botschaft ist eindeutig: sie "tragen" bis heute das katholische Lob Gottes.

(plp)
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