Serie Vor 200 Jahren "Vorliebe für einfache Lebenshaltung"

Nachdem er fast das ganze 19. Jahrhundert erlebt hatte, starb Gustav von Mevissen1899 als hoch angesehene, einflussreiche Persönlichkeit in Köln, wo er zur absoluten Oberschicht gehörte. Er war aber nicht nur ein erfolgreicher Mann der Wirtschaft gewesen, sondern auch ein sozial- und vor allem gemeinwohlorientierter Mensch. Zu den Facetten seines Lebens gehörten die Mitgliedschaft in der Dülkener Narrenakademie, und nicht zuletzt, dass er der Initiator der bis heute an der Spitze der rheinischen Geschichtsforschung stehenden "Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde" war. Sein Schwiegersohn, der Jurist und Wirkliche Geheimrat Friedrich Adolf Ratjen, hat ihn 1925 in seiner in Berlin gedruckten Autobiographie fein- und tiefsinnig geschildert. Daraus einige Sätze:

"Die gedrungene, urkräftige Gestalt dieses Mannes hätte ich gerne einmal in der Joppe des Jägers oder Landwirtes gesehen, für die sie wie geschaffen schien. Als ich ihn kennenlernte, hatte er sich aber schon lange für den schwarzen Gehrock und eine möglichst einfache Form der schwarzen Halsbinde entschieden. Zu seinem Äußeren passte diese Art, sich zu kleiden, wenig, wohl aber zu seinem inneren Wesen, zu dem Lehrhaften in seinem Vortrag, zu der abstrakten Denkweise, die ihn in einen gewissen Gegensatz brachte zu der Farbenpracht der Sinnenwelt, die auch in wechselnden körperlichen Gestaltungen sich gefällt. Ihn überhob sie dem lästigen Wechsels seiner Gewandung. War er doch im Grunde genommen immer derselbe, weshalb also durch einen Wechsel in seiner äußeren Erscheinung eine Veränderung vortäuschen, die in Wahrheit gar nicht vorlag? Das Einfache verdiente hier entschieden den Vorzug, wie denn dies Dülkener Kind seine Vorliebe für einfache Lebenshaltung im Grunde genommen immer festgehalten hat." (...) "Mir kam es darauf an, zu erfahren, ob denn überhaupt ein Leitfaden, ob irgendwo ein fester Grund in diesem Geiste zu finden oder ob er unergründlich sei wie das Weltall. ... Ganz gewiss gab es einen solchen Leitfaden, aber nur einen, und das sei der Gedanke an das Gemeinwohl. Das Gemeinwohl zu fördern sei das einzige, worauf es überhaupt ankomme!", gibt er Mevissen wieder. "Niemals habe er sich bei seinen Erwägungen politischer, wissenschaftlicher oder gewerblicher Art von einem anderen Gedanken leiten lassen."

(vgl. Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld 1974, S. 91-103)

(plp)
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