Kleve Matthäus-Passion in Christus-König-Kirche

Kleve · Nach dem respektablen Erfolg der Aufführung der Matthäus-Passion BWV 244 im vergangenen Jahr brachte das Bach Collegium Rhenanum sie erneut unter der Gesamtleitung von Hans Linnartz zur Aufführung. Die Christus-König Kirche erwies sich als gut gewählter Ort für Bachs umfangreichste Komposition in Bezug auf Spieldauer und Aufführungsapparat. Leider war der Arien-Tenor kurz vor der Aufführung erkrankt - kurzerhand übernahmen Sopranistin und Instrumentalisten die entsprechenden Teile.

Der Jugendchor "De Ulftse Nachtegalen" sang den Part des Knabenchores, der gleich zu Beginn zusammen mit dem Doppelchor in der Wechselrede "Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen" in den Bann zog. Die beiden Chöre standen mit räumlichem Abstand als eigene Klangkörper, die entweder gemeinsam, dialogisch oder getrennt agieren konnten. Hans Linnartz etablierte die Choräle als interpretatorisch eigenständige Größe, ruhevoll und reflektiert. Die Turbae-Chöre gelangen knackig und dicht. Als "erzählerischer Motor" stand der naturgemäß ausgreifende Part des Evangelisten.

Eric Jansen interpretierte diesen mit selbstverständlicher Höhe, mit einem eleganten Ton und einer enorm sprachaffinen, expressiven Gestaltung. Bassist Jelle Draijer deutete Jesus mit durchgehend edlem Timbre, nicht entrückt, sondern angemessen emotional und mit dem intensiven Geschehen interagierend. Marjon Strijk sang die Sopranpartien mit beweglicher, klarer und gut fokussierter Stimme - zudem übernahm sie wie selbstverständlich das Tenor-Rezitativ "O Schmerz". Mit virtuoser, dramatischer Intensität unterstrich Solo-Violinistin Johanna Rode die von Verzierungen und Koloraturen geprägte Arie "Erbarme Dich", die Altisten Merel van Schie ergreifend sang. Janko Fraanje überzeugte wie im letzten Jahr als Bassist der Arien. Die aus dem Chor heraus besetzten Soliloquenten ergänzten die Interpretation.

Dazu bestritt Wim Wijting an der Orgel den Basso continuo, den er zupackend und strukturklar spielte. Der Klang der Orchester war angenehm rund, dazu historisch informiert und insgesamt kantabel. Wo Bach früher vorgeworfen wurde, er sei zu opernhaft und zu wenig sakral, wurde hier das Dramatische in der Passion lebendig und intensiv. Jede Textart repräsentiert einen bestimmten Standort im Verhältnis von Gott und Mensch: Der Bibeltext als das Wort Gottes, die freie Dichtung als die Stimme des Einzelnen und die Choralsätze als das Lied der Kirche. Insgesamt wurde auf allen Ebenen differenziert artikuliert, das Pauschale war den Akteuren fremd für eine wundervoll ausmusizierte Matthäus-Passion - mit gestalterischer Geduld und expressiver Leidenschaft. Das ergriffene Publikum applaudierte stehend der gelungenen Aufführung.

Zeitgleich zog der nachgeholte Karnevalsumzug durch Kleve, der deutlich zu hören war. Auch "verirrte" sich ein tanzender Karnevalist in Verkleidung in die Kirche, was unauffällig gelöst wurde . . .

(RP)
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