Siegfried Wolff "Mobbing ist ein Thema im Internet"

Kleve · Ein Leben ohne Internet oder Handy ist für die meisten Jugendlichen nicht mehr vorstellbar. Was sind die Schattenseiten?

Ein Leben ohne Internet oder Handy ist für die meisten Jugendlichen nicht mehr vorstellbar. Was sind die Schattenseiten?

Wolff Mobbing ist zunehmend ein Thema. Streitigkeiten unter Freunden hat es immer schon gegeben. Aber früher gab es klare Grenzen. Nach dem Streit mit den Mitschülern sind wir nach Hause gegangen und hatten unsere Ruhe. Diesen Schutzraum gibt es heute nicht mehr. Im Internet oder über Handy geht es weiter.

Wie sollten Jugendliche reagieren?

Wolff Die Faustregel ist, möglichst nicht darauf zu antworten. Ansonsten geht es wie in einer Spirale immer weiter. Zudem die Eltern oder eine Person meines Vertrauens informieren.

Welche Möglichkeiten gibt es noch?

Wolff Ich kann denjenigen, der mich mobbt, beim Anbieter melden. Das passiert selten, sollte aber viel öfter geschehen. Wenn es um das Androhen von Schlägen oder sogar um Morddrohungen geht, fahre ich eine rigorose Linie. Da sollte Anzeige bei der Polizei erstattet werden. Keiner wird als Petze gelten, wenn er so etwas tut.

Es gibt aber noch ein ganz anderes Thema, dass Ihnen unter den Nägeln brennt.

Wolff Bei der Zusammenarbeit mit den Schulen treffe ich auf immer jüngere Schüler, die Echtzeit-Messenger wie ICQ oder Skype nutzen oder bei sozialen Netzwerken wie Facebook sind. Es besteht mittlerweile ein sozialer Druck, um immer informiert zu sein, solche Dienste zu nutzen.

Wo liegen die Gefahren?

Wolff In jeder Klasse der Zehn-bis Elfjährigen im Kreis Kleve gibt es drei bis fünf Kinder, die schon Nacktbilder oder unangenehme Texte zugeschickt bekommen haben.

Wie können sich Kinder und Jugendliche davor schützen?

Wolff Anmelden sollten sie sich immer nur mit einem Fake-Account, also nicht mit dem richtigen Namen, dem richtigen Alter oder der Adresse. Ich rate ihnen, sich möglichst nicht als Kinder und Jugendliche zu erkennen zu geben.

Das ist schwierig.

Wolff Ja, weil weil Kinder und Jugendliche gerade mit Gleichaltrigen diskutieren wollen und dort einen Teil ihrer Selbstbestätigung erhalten. Andererseits nutzen das Pädophile aus, um Kinder gezielt anzusprechen.

Wie gehen die Täter vor?

Wolff Die eine Gruppe geht sehr gezielt vor und fragt Mädchen etwa nach ihrer Körbchengröße. Wenn Jugendliche darauf eingehen, gehen die Täter immer einen Schritt weiter.

Wie sollten Betroffene reagieren?

Wolff Der richtige Weg ist, mit einer Vertrauensperson, im besten Fall mit den Eltern, zu reden. Die Bilder oder Texte speichern und Anzeige erstatten.

Wie sollten Eltern reagieren?

Wolff Auf keinen Fall hektisch. Es ist ihre Aufgabe, ihren Kindern den Grundsatz zu vermitteln: Du kannst soviel Mist machen wie du willst, aber wir kriegen das schon gemeinsam wieder hin. Viele Kinder schämen sich, mit ihren Eltern darüber zu reden oder haben Angst, Ärger zu bekommen, weil sie normalerweise zu der Zeit nicht mehr am Rechner sitzen durften, als das passiert ist.

Wie weit gehen Täter?

Wolff Das geht bis zur Anfrage von sexuellen Handlungen vor der Webcam. Es gab auch Fälle im Kreis Kleve, in denen ein Täter aus Niedersachsen über ein Mitmachradio Kinder über das Internet angesprochen hatte

Was ist mit Blind Dates?

Wolff Das ist die andere Täterschiene. Die chatten und geben sich als Jugendliche aus, schicken sogar das Foto eines Jugendlichen.

Wie funktioniert das?

Wolff Nehmen wir an, Jessica, 14 Jahre, chattet seit einem halben Jahr mit Michael. Der schreibt, er ist 17 Jahre und schickt auch das Foto von einem Jugendlichen. Er hat ihre beim Stress in der Schule oder mit ihren Eltern geholfen. Nach einem halben Jahr kommt es zum Treffen. Michael schreibt, er hat noch einen Termin. Sein Vater wird Jessica abholen und schickt auch noch ein Foto von dem. Der Vater ist derjenige, den sie als Michael, 17 Jahre, im Chat kennen gelernt hat. Der hat aber andere Interessen, als mit Jessica ins Eiscafé zu gehen.

Hilft es, eine Freundin zu so einem Treffen mitzunehmen?

Wolff Nein, die minderjährige Freundin ist zusätzlich ein willkommenes Opfer.

Sind das Einzelfälle?

Wolff Ja, aber allein im Kreis Kleve habe ich mindestens fünf Mädchen und einen Jungen begleitet, die das erlebt haben. Sobald Kinder allein im Internet unterwegs sind, sollten sie aufgeklärt sein, welche Gefahren es im Internet gibt.

Was müssen Kinder und Jugendliche noch wissen?

Wolff Möglichst keine Bilder ins Internet setzen. Auf keinen Fall Bilder von sich auf die Startseite von Facebook. Das ist weltweit einsehbar. Schon gar keine Nacktbilder, -videos oder Fotos von wilden Feiern machen lassen. Spätestens, wenn die Jugendlichen sich bewerben, können solche Bilder im Netz den Ausbildungsplatz kosten.

DIE FRAGEN STELLTE BIANCA MOKWA.

(bimo)
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