Kleve Ungepflegte Gräber werden eingeebnet

Kleve · Auf Kleves Friedhöfen werden immer mehr Grabstellen nicht ausreichend gepflegt. "Nutzungsberechtigte" sind dazu verpflichtet, oft aber nicht ausfindig zu machen. In etwa 60 Fällen pro Jahr werden Grabstellen deshalb abgeräumt.

 Ein Kirschlorbeer (Bildvordergrund) hat das Grab des Bildhauers Gerd Brüx vollkommen überwuchert. Im Hintergrund ist eines von mehreren künstlerisch-wertvollen Grabmalen zu sehen, die Gerd Brüx geschaffen hat.

Ein Kirschlorbeer (Bildvordergrund) hat das Grab des Bildhauers Gerd Brüx vollkommen überwuchert. Im Hintergrund ist eines von mehreren künstlerisch-wertvollen Grabmalen zu sehen, die Gerd Brüx geschaffen hat.

Foto: Gottfried Evers

Seit Jahrzehnten pflegt Gärtner Klaus Nielen (54) Gräber auf dem Friedhof an der Merowinger Straße in Kleve. Der Gärtner erinnert sich: "Früher war der Friedhof Ende Oktober - vor den November-Trauertagen - voller Menschen, die Gräber pflegten. Heute ist der Friedhof menschenleer. Kaum jemand kümmert sich um die Gräber."

Gründe für die mangelhafte Pflege gibt es viele. Möglicherweise sind die "Nutzungsberechtigten" (oft nächste Angehörige der Verstorbenen), die zur Grabpflege laut Friedhofssatzung verpflichtet sind, weggezogen, können körperlich die nötige Arbeit nicht mehr leisten, haben zu wenig Geld oder kein Interesse. "Friedhofskultur und Gesellschaft haben sich verändert", meint Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur "Aeternitas". Eine Folge sei, dass sich immer mehr Menschen für Urnengräber oder andere weniger pflegeintensive sowie preiswertere Bestattungsformen entschieden.

Auf dem Klever Friedhof sind die Folgen mangelhafter Pflege vom Reihengrab bis zur Gruft unübersehbar. Schon nach vier, fünf Jahren lasse die Pflege von etwa zehn Prozent der Gräber zu wünschen übrig, meint Klaus Nielen. "Später sind es 30 bis 40 Prozent", schätzt der 54-jährige Friedhofsgärtner. Wenn sich jahrelang niemand um die Bepflanzung kümmere, sei manche letzte Ruhestätte kaum als solche erkennbar. Unkraut und Buschwerk hätten sich breit gemacht, wuchsen in noch gepflegte, benachbarte Grabstellen. Efeu oder andere Pflanzen hätten Grabsteine überwuchert.

Mitarbeiter der Umweltbetriebe der Stadt Kleve ( USK ) kontrollieren den Zustand der Gräber. Stellen sie eine Vernachlässigung fest, wird der Nutzungsberechtigte schriftlich benachrichtigt und auf dem Grab ein Hinweisschild angebracht: "Grabpflege nötig". Oft kommt es laut USK-Vorstand Rolf Janssen zu einem Kontakt, Missstände könnten beseitigt werden. Meldet sich innerhalb von drei Monaten kein Nutzungsberechtigter, werde versucht, dessen Kontaktdaten zu ermitteln - oft mit großem Aufwand. Auch dieses Vorgehen hat nach Aussage des USK-Vorstandes durchaus Erfolg. Wenn nicht, folgt wie am vergangenen Samstag eine öffentliche Bekanntmachung der ungepflegten Grabstellen. 43 des Klever Friedhofes waren dort benannt worden.

Meldet sich auch nach öffentlicher Bekanntmachung innerhalb von drei Monaten kein Nutzungsberechtigter, darf die Stadt die Grabstellen abräumen. "Durchschnittlich 60 Gräber müssen wir in Kleve aus diesen Gründen pro Jahr einebnen", sagt Rolf Janssen. Für ein Reihengrab koste das l 150 Euro, für ein zweistelliges Wahlgrab 230 Euro.

Ärgerlich sind nicht nur diese Kosten und Mühen. Auch das Erscheinungsbild des Friedhofes nimmt Schaden. Für Wiltrud Schnütgen, die mehrmals im Jahr Friedhofsführungen anbietet, ist dies um so bedauerlicher, da die Gräberstätte "außergewöhnlich sehenswert" sei. "Es ist ein Waldfriedhof mit parkähnlichem Charakter. Zudem stehen dort viele Grabmäler, von denen laut Liste des Denkmalamtes knapp 200 schutzwürdig sind", sagt die Expertin für Klever Stadtgeschichte. Selbst Gräber von bekannten Klevern bleiben nicht vor der Verwahrlosung verschont. In der jüngst öffentlich bekanntgemachten Liste der vernachlässigten Gräber taucht beispielsweise der Name "Brüx" auf. Das Grab des Bildhauers Gerd Brüx - dessen Werke eine Reihe anderer Gräber an der Merowinger Straße zieren, dessen Bruder Jupp unter anderem das "Schüsterken" schuf und dessen Sohn Walther auch künstlerisch tätig war - ist auf dem Klever Friedhof als solches nicht mehr erkennbar. "Ein Kirschlorbeer überwuchert das Grab", sagt Wiltrud Schnütgen. Dennoch weise sie bei Führungen auf die letzte Ruhestätte des Bildhauers hin. "Als Anekdote - weil rundherum Gräber mit Werken von Gerd Brüx stehen, sein eigenes aber nicht erkennbar ist", sagt die Kennerin des Friedhofes. Die Liegefrist des Grabes sei jedoch schon lange abgelaufen, allerdings müsse das Nutzungsrecht auch offiziell zurückgegeben werden.

Dass immer mehr Nutzungsberechtigte sich nicht um den Zustand ihrer Gräber kümmern, findet Wiltrud Schnütgen bedauerlich. Dabei kann man die Pflege einem der Friedhofsgärtner übertragen. Die Kosten betragen bei einem Reihengrab 150 bis 250 Euro - samt dreimaliger Bepflanzung pro Jahr, Säubern, Düngen und Wässern.

Doch kaum einer von denen, deren Grabstellen nicht gepflegt werden, nimmt das Angebot wahr. "Die Zeiten haben sich eben verändert", meint Gärtner Klaus Nielen. Deshalb weiß er, was er seinem Sohn rät, wenn dieser den Betrieb übernehmen wird: "Setze nicht auf Grabpflege, wenn es darum geht, womit Du Geld verdienen willst."

(RP)
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