Chronik Die Ereignisse rund um die Silvesternacht in Köln
Hunderte Frauen sind in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln bedrängt oder ausgeraubt worden. Inzwischen gibt es mehr als 1000 Anzeigen. Rund zwei Monate danach stehen die ersten mutmaßlichen Täter vor Gericht. Wir fassen zusammen, was seit den Übergriffen geschehen ist.
31. Dezember 2015: Rund um den Kölner Hauptbahnhof werden Hunderte Frauen sexuell belästigt, zahlreichen Opfern werden Handys und Geld geraubt. Dennoch spricht die Kölner Polizei am Neujahrsmorgen in einer ersten Bilanz von einer entspannten Lage.
4. Januar: Der Polizei liegen zunächst 60 Anzeigen vor. Auf einer Pressekonferenz zeigt sich die Kölner Polizei schockiert. „So etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagte der damalige Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers. „Das waren Straftaten in einer völlig neuen Dimension."
Später am Tag treffen sich Albers und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, um darüber zu sprechen, wie solche Eskalationen bei Großveranstaltungen künftig vermieden werden können. Reker empfiehlt Frauen unter anderem, "eine Armlänge Abstand" zu halten, und löst damit eine Debatte über den Schutz von Frauen aus.
5. Januar: Zeugen hätten die Angreifer als Männer beschrieben, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen, teilt die Kölner Polizei mit. Die Sicherheitskräfte in der Domstadt werden von Politikern beschuldigt, versagt zu haben. Auch aus Hamburg wird von ersten Fällen von Übergriffen berichtet.
Vor dem Kölner Hauptbahnhof demonstrieren Frauen und Männer gegen Gewalt gegen Frauen. In den Tagen danach demonstrieren verschiedenste Gruppierungen in Köln, darunter auch Pro NRW. Die Partei instrumentalisiert die Vorkommnisse für ihre Zwecke. Die Gegendemonstranten überwiegen.
6. Januar: Die Polizei in Köln gibt weitere Anzeigen bekannt. Nach Angaben der Landesregierung wurden erste Verdächtige ermittelt.
7. Januar: Aus einem internen Bericht der Bundespolizei geht hervor, dass die Polizeispitze schon früh über das Ausmaß der Übergriffe informiert gewesen sei. Demnach waren zu wenige Beamte im Einsatz. Derweil formieren sich Bürgerwehren. Im Internet rufen rechte Gruppierungen zur Selbstjustiz auf.
8. Januar: NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) versetzt Polizeichef Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand. Inzwischen ist die Zahl der Anzeigen auf über 100 angestiegen – und wird weiter steigen.
9. Januar: Die Polizei löst eine gewalttätige Demonstration von Rechtsextremisten und Pegida-Anhängern in Köln auf. Zugleich demonstrieren viele Bürger friedlich gegen Rassismus und Sexismus.
10. Januar: Aus der Bundesregierung kommen Forderungen nach mehr Polizei und schnellerer Justiz. Sie will das Asylrecht verschärfen. Die Polizei berichtet inzwischen von mehr als 500 Anzeigen. In Köln greifen Unbekannte mehrere Ausländer an.
11. Januar: Landesinnenminister Jäger wirft der Kölner Polizeiführung bei einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags gravierende Fehler vor. Wenige Tage danach legt die Opposition Jäger einen Rücktritt nahe. Der gesteht, dass er früh über die Kölner Vorfälle informiert war.
14. Januar: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Krafts stellt ihr Sicherheitspaket vor: unter anderem 500 zusätzliche Polizeibeamte sollen in Brennpunkten eingesetzt und auch die Staatsanwaltschaften personell verstärkt werden; mehr Videoüberwachung; Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für die Opfer der Silvesternacht; beschleunigte Straf- und Asylverfahren.
18. Januar: Mittlerweile seien 766 Anzeigen eingegangen, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Bei rund der Hälfte gehe es um Sexualdelikte. Darunter seien auch mindestens drei Anzeigen wegen Vergewaltigung. In anderen Fällen werde noch geprüft, ob die Vorwürfe diesen Straftatbestand erfüllten. Vier Tage später gibt es neue Zahlen: Neben Köln kam es demnach auch in Düsseldorf, Bielefeld und Dortmund zu ähnlichen Vorgängen in kleinerem Umfang – landesweit werden 1216 Opfer gezählt.
19. Januar: Jürgen Mathies (55) übernimmt den Posten des Polizeipräsidenten. Von 2001 bis 2006 leitete er eine bundesweite Projektgruppe für das Sicherheitskonzept der Fußball-WM. Zuletzt war er Direktor des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste.
27. Januar: Beim Amtsgericht Köln liegt die erste Anklage gegen Beschuldigte aus der Silvesternachtvor. Sie richte sich gegen einen Tunesier und einen Marokkaner, die einem Mann in der Nähe des Hauptbahnhofs eine Tasche mit einer Kamera gestohlen haben sollen.
1. Februar: Mehr als 2500 Polizisten werden Karnevalisten in Köln beschützen. Ein neues Sicherheitskonzept soll gewährleisten, dass es in Köln an Karneval kein „zweites Silvester“ geben wird. Die Bundespolizei kontrolliert die Züge.
Auf der Domplatte wird ein Security-Point für Frauen eingerichtet. Dort sollen sie Hilfe bekommen, falls sie an den Karnevalstagen bedrängt werden.
4. Februar, Weiberfastnacht: In der Altstadt und an der Partymeile Zülpicher Straße ist die Polizei mit mehr als 2000 Beamten der Landespolizei, im Bahnhof mit bis zu 410 Kräften der Bundespolizei im Einsatz. Das Kölner Ordnungsamt sorgt mit etwa 400 Ordnern für zusätzliche Sicherheit. Es bleibt weitgehend ruhig.
8. Februar: Auch an Rosenmontag ist die Polizei mit mehr Einsatzkräften als sonst im Einsatz. Eskalationen wie in der Silvesternacht gibt es nicht.
15. Februar: Ein Opfer erkennt einen Täter in einem TV-Bericht und zeigt ihn an. In Köln, wo mehr als 1000 sexuelle Übergriffe durch Tätergruppen angezeigt worden waren, ermittelt die Polizei gegen 73 Beschuldigte. Die meisten kämen aus Marokko und Algerien. 15 Verdächtige sitzen in U-Haft, die meisten wegen Diebstählen. Nur einem von ihnen legen die Kölner Ermittler ein Sexualdelikt zur Last.
22. Februar: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss, der die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht aufklären will, trifft sich zu einem Ortstermin in Köln. In den Hauptbahnhof gingen die Politiker aber nicht.
24. Februar: Die ersten drei Verdächtigen aus der Silvesternacht stehen vor Gericht. Dabei handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um einen 23-jährigen Marokkaner, der an Silvester einer Frau das Handy gestohlen haben soll, sowie ein Tunesier und ein Marokkaner, die einem Mann eine Tasche mit einer Kamera gestohlen haben sollen. Alle drei sind wegen Diebstahls, nicht wegen sexueller Übergriffe angeklagt.