Krefeld Die Leiden von Pastor Johannes Schue

Krefeld · Die Reformation in Krefeld hat auch ihre Opfer. Eines ist der Pfarrer Schue, der heftig drangsaliert wurde, weil er die neue Bewegung nicht mitmachen wollte. Seine Not schildert er in einem Brief.

 In gestochen schöner Handschrift beklagt Pastor Johannes Schue seine Leiden in den Zeiten der Reformation. Der fast 500 Jahre alte Brief ist erstaunlich gut erhalten.

In gestochen schöner Handschrift beklagt Pastor Johannes Schue seine Leiden in den Zeiten der Reformation. Der fast 500 Jahre alte Brief ist erstaunlich gut erhalten.

Foto: ped

Mit dem Seelenfrieden des Hülser Pfarrers Johannes Schue war es Ostern 1544 endgültig vorbei. Am 9. April, es war der Tag vor Gründonnerstag, kam der Schultheiß, der Gemeindebeamte, auf den Hof des katholischen Geistlichen, begleitet von einer Reihe von Landsknechten. "Herr Pastor, ihr sollt im Auftrag meines gnädigen Junkers und des Hauptmanns Caspar von Weid die guten Gesellen eine zeitlang versorgen", habe er dem verdutzten Schue erklärt. Dem stieg "das Blut in den Kopf", denn dieser Befehl war nur eine von vielen Schikanen, die er seit Monaten von Anhängern der Reformation erlitt.

 Graf Wilhelm von Moers (1505-1552) war schon früh ein Anhänger der Reformation.

Graf Wilhelm von Moers (1505-1552) war schon früh ein Anhänger der Reformation.

Foto: Petra Diederichs

In einem mehr als 40-seitigen Brief klagt der Pfarrer 1545 sein Leid. Der Adressat ist nicht bekannt, vielleicht waren es die Grafen von Moers, denen Hüls damals unterstand, denn er unterzeichnete mit "Johannes von Neuss, Pastor zu Crefeld, Euer Werten armer, gutwilliger Diener". Der nach fast 500 Jahren noch erstaunlich gut erhaltene Brief in gestochen schöner Handschrift ist eines der herausragenden Exponate in der Ausstellung "1517 - Reformation in Krefeld", die zurzeit im Museum Burg Linn zu sehen ist.

 Wilhlems Sohn, Hermann (um 1533-1578), machte Krefeld 1560 protestantisch.

Wilhlems Sohn, Hermann (um 1533-1578), machte Krefeld 1560 protestantisch.

Foto: MBL

Vor 1800 unterstanden Linn und Uerdingen den katholischen Erzbischöfen von Köln, während Krefeld und Hüls eine Enklave bildeten, die zur Grafschaft Moers gehörte. Die Moerser Grafen waren schon früh Anhänger der Reformation. Wilhelm (1505 bis 1553) und sein Sohn Hermann (ca. 1533-1578) sorgten dafür, dass Krefeld und Moers im Laufe der Jahre protestantisch wurden. In Krefeld setzt Hermann das im Jahr 1560 durch.

Mit welchen Widerständen und Kämpfen das vor sich ging, zeigt Schues Erzählung auf berührende Weise. Graf Wilhelm befahl, Schue möge sich "in der Kirche zu Krefeld in allen Zeremonien und im Umgang mit den Sakramenten an die Art und Weise halten, wie man sie im Lande Moers praktiziere" - also reformatorisch. Andernfalls drohten Konsequenzen. Man mag schmunzeln, wenn der Pfarrer klagt: "Ich möcht wohl Waffen gen Himmel schreien, dass wir moersisch geworden sind und dass man mich ohne Schuld so jämmerlich überfällt vor dem großen Festtag. Was hab ich verbrochen?", und wenn er sich beschwert, dass die einquartierten Männer in sieben Tagen "Unmengen an Lebensmitteln" sowie und Bier und Wein für "57 Gulden 5 Albus" vertilgt haben. Doch schon wenige Sätze später schildert er seine Angst, "weil ich gewarnt war, dass sie mir an meinem Leib Böses antun wollen".

Schue hält alle Schikanen aus, weil ein guter Hirte seine Schafe nicht den Wölfen überlasse. Er erduldet, dass seine Ernte von den Feldern geraubt wird, dass er immer häufiger aus seiner Kirche gedrängt wird, damit ein Reformierter die Predigt halten kann, dass er verleumdet wird, er habe das Wort Gottes verspottet, so dass er sich vor dem wütenden Drost von Cracau - dem Amtmann -, Bertram Hoen von der Lipp, verantworten muss. In einem Schreiben an den Kaiserlichen Hauptmann von Weid nennt der Drost Schue einen "gottlosen Mönch", der sich "keineswegs für Gott noch für seine heilsame Lehre gewinnen lassen will, sondern sich mit lügenhafter Gewalt gegen die bekannte göttliche Wahrheit sperrt und das Volk aufrührerisch macht". Er hatte um jene Männer gebeten, die den Widerborstigen auf Kurs bringen sollten, und ihnen "guten Verzehr" versprochen, "denn der Pfaffe hat gutes Starkbier und auch guten fetten Speck".

Zähneknirschend, aber aus purer Existenzangst, macht Schue Zugeständnisse in der Gottesdienstordnung. Dass er Kinder in deutscher Sprache taufen soll, das geht ihm jedoch zu weit. Mehrfach wird ihm "der Predigtstuhl in der Kirche" verboten, seine Einkünfte werden gekürzt, seine Steuerabgaben erhöht. Ein Jahr später, am Ostermontag 1545, " sind die Lutheraner mit dem Herrn von Hüls gekommen und haben (...) gebeten, dass man (...) mich armen Pastor aus der Kirche vertreibe." Zwei Tage danach sei "die Drostin mit dem Burggrafen und etlichen von ihren Dienern gekommen, hat das Bild unseres Patrons aus der Kirche genommen und gesprochen: ,Ich will euch dieses Teufels quitt machen und ihn unter die Bräupfanne stecken.'"

Jetzt müssen Schues Nerven endgültig blankgelegen haben. Pfingsten kommt es zum großen Zerwürfnis. Als der gesammelte Stab der Amtsträger vom Schultheiß bis zum Bürgermeister ihn bedrängen, die Messe vom Hochaltar aus lesen zu lassen, allerdings "ohne den Kanon und das Gedächtnis der Verstorbenen", widerspricht Schue vehement: "Das ist wider die Einrichtung der heiligen Kirche. Darum kann ich das nicht bewilligen. Es wäre meiner Seele mehr von Nutzen, dass ich mir meinen Kopf abschlagen ließe, als dass ich das bewilligte und meinem Kirchspiel-Volk solche Ärgernisse bereitet und Böses nachsagen lassen sollte." Das bedeutete, Schue müsse gehen. "Will man es so haben, so muss ich es leiden. Gott möge sich erbarmen, dass ich den Tag in Krefeld erlebt habe", antwortet Schue.

Ausstellung "1517 - Krefeld und die Reformation" im Museum Burg Linn, Rheinbabenstraße.

(RP)
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