Krefeld Jobmaschine Zeitarbeit?

Krefeld · Markus Jelsch ist seit einem Monat Hartz-IV-Empfänger. Vorher arbeitete er bei einer Zeitarbeitsfirma. Das Geld, das er dort verdiente, reichte aber kaum aus. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert die Branche.

„Wir sind arm.“ Früher wäre den Jelschs dieser Satz peinlich gewesen. Mittlerweile sagen sie ihn, ohne sich dafür zu schämen, weil sie guten Gewissens sind, alles gegen die Armut getan zu haben. Ausbildung – Festanstellung – Firmenwechsel – Firmenpleite – Zeitarbeit. Die Geschichte von Markus Jelzsch ist untypisch für eine deutsche Erwerbsbiografie. Er arbeitete als Zeitarbeitnehmer, obwohl er als Hartz-IV-Empfänger wohl ähnlich viel verdient hätte. Immer wieder gab es für die vierköpfige Familie, Vater Markus, Ehefrau Ilka (38), Sarah (9) und Patrick (16), die Aussicht, dass aus einer Zeitarbeitsstelle eine längerfristige Anstellung werden könnte. Seit vier Wochen hat Markus Jelsch aufgegeben: Er empfängt nun Hartz IV, sein Gehalt bei der Zeitarbeit deckte kaum noch die Kosten.

Jede dritte Stelle nur auf Zeit

In Krefeld gibt es nach Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) rund 40 Zeitarbeitsunternehmen. Die Branche boomt, das registriert auch die Krefelder Arbeitsagentur : 30 Prozent aller angebotenen Stellen sind Zeitarbeitsstellen. Viele Zeitarbeitsfirmen haben ihren Sitz gar im selben Haus. Sie selbst verkaufen sich als Jobmotor und werben, dass 30 Prozent aller Kunden einen festen Job durch ihre Vermittlung fänden. Im „Start“-Zeitarbeitsunternehmen sind es gar 70 Prozent. „Wir verzichten auf marktübliche Ablösesummen, wenn unsere Kunden in ein festes Verhältnis wechseln“, sagt Manuela Große Brinkhaus von Start in Krefeld. Ralf Köpke vom DGB warnt: Es gebe Betriebe in Krefeld, in denen der Anteil der Leiharbeiter fast die Hälfte der Beschäftigten ausmacht. Markus Jelsch hat auch gute Erfahrungen bei Zeitarbeitsfirmen gemacht. Allerdings ist er skeptisch, wenn er vom Boom auf dem Arbeitsmarkt hört – warum ist er nie einer der Glücklichen, die einen Job finden? „Die großen Firmen werden reich, weil wir Zeitarbeiter unter Gehaltsniveau arbeiten.“ Sein Stundenlohn habe bei sieben Euro gelegen. Angefangen hat der heute 38-Jährige als Azubi an einer Tankstelle: 1200 Mark verdiente er damals. Als Zeitarbeiter verdiente Jelzsch rund 850 Euro monatlich. „Weggehen oder Urlaub sind da natürlich nicht drin.“ Tochter Sarah mussten die Eltern aus dem Offenen Ganztag nehmen, das Auto abmelden.

„Es ging immer weiter abwärts“, bilanziert Markus Jelsch. Jetzt ist er bei Hartz IV angekommen und hofft, bald einen neuen Job zu finden. Irgendwann soll sich der größte Wunsch von Familie Jelsch erfüllen: gemeinsam wieder Urlaub im Bayrischen Wald machen. Damals, im Jahr 1992, führte die Hochzeitsreise der Jelschs in den Bayrischen Wald. Gestern, am 9. Oktober, hatten die Jelschs wieder Hochzeitstag. Den feierten sie allerdings zu Hause, an der Hülser Straße.

(RP)
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