Krefeld Mönkemeyers Schülerin erzählt

Krefeld · Elisabeth Janßen ist 95 und die wohl einzige noch Lebende, die von dem Gründer der Musikschule unterrichtet wurde.

"Wenn ich nicht hätte singen können, wäre ich ein armer Mensch gewesen", so sprudelt es aus Elisabeth Janßen heraus, kaum dass die Begrüßung vorbei ist. Die temperamentvolle Dame, der man ihre Anfang April vollendeten 95 Jahre bei Weitem nicht ansieht, ist zum Tag der offenen Tür in die Krefelder Musikschule gekommen. Und das hat eine besondere Bewandtnis.

Initiatorin des Besuchs von Elisabeth Janßen ist Bezirksvorsteherin Gerda Schnell. Sie hatte die 95-Jährige an deren Geburtstag im Auftrag der Stadt Krefeld besucht und dabei erfahren, dass Elisabeth Janßen wohl die einzige noch Lebende ist, die Helmut Mönkemeyer, den Gründer der Krefelder Musikschule, gekannt hat und von ihm gefördert wurde. Gerda Schnell stellte den Kontakt zu Musikschulleiter Ralph Schürmanns her, und dieser lud die Jubilarin und deren Tochter Elfi Gromotka spontan ein, den Tag der offenen Tür mitzuerleben.

Gerade zeigen die jungen Sängerinnen und Sänger im Helmut-Mönkemeyer-Saal Ausschnitte aus ihrem zurzeit mit großem Erfolg gespielten Musical "Nora oder die Suche nach dem Glück", da fährt Elisabeth Janßen mit ihrem Rollator fast bis zur Bühne, setzt sich auf ihr umgedrehtes Fortbewegungsmittel und ist sofort mittendrin. Begeistert und mit großem Interesse verfolgt sie die Gesangs- und Tanzdarbietungen und nimmt auch schon mal jüngere Mitwirkende, die gerade nicht beteiligt sind, in den Arm.

Ralph Schürmanns lädt dann ins Bistro zu Kaffee und Kuchen ein. Nun ist Zeit zum Erzählen: "Als ich elf Jahre alt war, im Jahre 1934", berichtet die rüstige Dame, "kam Helmut Mönkemeyer, der eigentlich Lehrer war, in unsere Volksschule. Er suchte Kinder mit guten Stimmen, aus jeder Klasse zwei. Ein Junge und ich wurden ausgewählt, und Mönkemeyer hat mich kostenlos unterrichtet, bis ich aus der Schule kam. Dann begann die Lehre, und ich hatte keine Zeit mehr." Die Musikschule gab es damals noch nicht. Janßen erinnert sich: "Der Unterricht fand in Schulaulen oder in Nebenräumen von Gaststätten statt. Dann bekam ich eine Gitarre, und auch darin wurde ich unterrichtet, aber von einem anderen Lehrer. Mit meinem Vater, der in einem Chor sang und meine Liebe zur Musik zum Glück förderte, besuchte ich Festlichkeiten, für die wir als Gesangsduo mit Gitarrenbegleitung engagiert wurden. Später habe ich die Chorgemeinschaft Concordia Uerdingen 1919 als gemischten Chor mitgegründet. Vorher gab es da nur Männer, aber wir Frauen haben gezeigt, was in uns steckt und was alles möglich ist. Wir sangen jegliche klassische wie unterhaltende Literatur, wobei ich die Sopransoli singen durfte. Und auf Gastspielreisen, auch ins Ausland, haben wir viel Geld eingespielt."

Heute liebt sie noch immer die Musik: "So gerne würde ich heute noch singen, doch der musikalische Anspruch der für mich infrage kommenden Seniorenchöre reicht mir nicht."

Elisabeth Janßen lebt immer noch in ihrer Wohnung, gut umsorgt von ihrer Tochter, die jeden Tag zu ihr kommt. "Aber nachmittags gehe ich oft mit meiner Nachbarin in die Stadt zum Einkaufen oder Eis essen. Sie ist ein Jahr jünger als ich, doch etwas unsicher beim Gehen, so dass sie froh ist, wenn ich mitgehe."

Die Jubilarin, die gerne hundert Jahre alt werden möchte, hat bereits verfügt, dass sie ihre Gitarre, die sie immer noch gut hütet, nach ihrem Ableben der Musikschule vermachen wird - auch zum Dank für den wunderschönen Nachmittag unter so vielen fröhlichen jungen Musikern.

(RP)
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