Krefeld Neue Lyrik von Marlies Blauth

Krefeld · Ein optisch auffälliger Zug der Autorin ist die konsequente Kleinschreibung.

 Marlies Blauth ist Dichterin und Malerin. Die Künstlerin veröffentlichte ihr neues Lyrikbändchen "zarte takte tröpfelt die zeit" .

Marlies Blauth ist Dichterin und Malerin. Die Künstlerin veröffentlichte ihr neues Lyrikbändchen "zarte takte tröpfelt die zeit" .

Foto: Ansgar Blauth

Marlies Blauth, als Dichterin und Malerin überregional bekannt, hat ein neues Lyrikbändchen unter dem Titel "zarte takte tröpfelt die zeit" veröffentlicht. "irgendwo zwischen almengrün und müdgrau" sucht und findet sie darin Pfade der Erinnerung und Reflexion, Rinnsale des Lachens, der Wehmut, aber auch des Trostes.

Erinnerungen vermag Blauth ebenso knapp und präzise wie lyrisch auf den Punkt zu bringen, zum Beispiel in den gerade mal 26 Worten von "am kiosk", ohne der Versuchung zu verklärender Nostalgie zu erliegen. Bei ihr gibt es nicht nur das metaphorisch in Kohlepapier verpackte Gold der im Ruhrpott Geborenen, sondern auch das beherzte Zerreißen von Briefen, die ihre Bedeutung verloren haben. Und auch sonst wird nicht nur Schönheit beobachtet. Neben tröstlich in ein "panoramabild" eingearbeiteten Zitaten aus dem Psalm 23 (Der Herr ist mein Hirte) begegnet uns kühle Beobachtung: "sie saßen einander gegenüber / rührten sich nichtworte in den kaffee / und lächelten leer / sie nahmen einander die zeit". Und neben die Erkenntnis der Vergänglichkeit, vor allem der eigenen, tritt jene Art von Zufriedenheit, die erst eintreten kann mit der Ernte, wenn schon viel Lebenszeit vergangen ist. Sinnlich-plastische Wortschöpfungen wie Gedankenmäuschen, Klirrflaschen oder Fleckenfratzen setzen dabei kräftige Akzente in einer ansonsten eher in Pastelltönen gehaltenen Sprache.

Ein optisch auffälliger Zug ist die konsequente Kleinschreibung. Karl der Große führte sie einst ein als Alternative zur aus dem Lateinischen überkommenen, umständlichen Schreibung nur in Großbuchstaben. Seit Einführung unserer heutigen Schreibweise im Barock kam die Kleinschreibung immer mal wieder in Mode, wurde zuletzt in den 1960er Jahren von Autoren wie Elfriede Jelinek und Hans Magnus Enzensberger benutzt und propagiert und dann doch wieder verworfen. Ob sie tatsächlich dazu beiträgt, die assoziativen Potenziale der verwendeten Wörter zu erweitern, wie Blauth beabsichtigt, sei dahin gestellt. Eine subtile Wirkung üben dagegen ganz zweifellos die Abbildungen einiger unbetitelt eingestreuten Kohlestaubzeichnungen der bildenden Künstlerin Marlies Blauth aus.

Marlies Blauth, "zarte takte tröpfelt die zeit", Gedichte & Zeichnungen, Heftbroschur 96 S., Verlag NordPark, ISBN: 978-3-943940-05-3, Euro 6,50

(mojo)
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