Krefeld Oscar-Nacht mit vielen Überraschungen
Krefeld · Ein Pizzabäcker, rührende und witzige Dankesworte, sehr viel Musik und etwas Gänsehaut: Die Verleihung der RP-Theater-Oscars war ein glanzvoller Abend.
Der "Theater-Oscar" ist 19 - und hat nichts an Frische und Anziehungskraft eingebüßt. Die gut besuchte Veranstaltung im Krefelder Theater stand unter einem guten Stern: Dank des im Grunde misslichen Regenwetters war es angenehm kühl im Theaterfoyer, und die deutsche Nationalelf hatte einen spielfreien Tag. Generalintendant Michael Grosse dankte im Namen des Theaters für die gute Zusammenarbeit mit der Presse, und Jens Voss, Leiter der Krefelder RP-Redaktion, nannte das Theater "einen magischen Zirkel aus Realität und Illusion" - beispielhaft gelungen im allseits hoch gelobten "Barbier".
Die Kulturredakteurinnen Petra Diederichs und Inge Schnettler führten durch einen Abend, der reich war an Überraschungen, die das amüsierte Publikum in Atem hielten. Die Gelungenste servierte Laudatorin Anuschka Gutowski, Schauspielerin vom "Theater hintenlinks", die Schauspieldirektor Matthias Gehrt für die Produktion "Orestie" ehren sollte. Gutowski war zunächst nicht aufzufinden und erschien endlich als "Störenfried", der in Pizzabäckerklamotten, bewaffnet mit dampfenden Kartons, seine italienischen Backwaren anpries. Die Laudatio war eine köstlich italienisch-deutsch geradebrechte Geschichte von der theaterbeflissenen Tante Philomena, die schließlich die gesamte Familie zu Fans von dieser "Orestie" macht. Gehrt war hellauf begeistert und bezog in die Ehrung sein gesamtes Ensemble ein.
Aus der munteren Schauspieltruppe waren Helen Wendt, die Helmut Schroers, Leiter der Mediothek, singend und sich selbst am Flügel begleitend wunderschön belobigte, und der blutjunge Schweizer Jonathan Hutter ausgewählt worden. Nachdem der Vorsitzende der Krefelder Theaterfreunde, Heinrich Rungelrath, diesem den Oscar überreicht hatte, sangen Wendt und Hutter ein Loblied auf ihre großartigen Ensemblekollegen. Der Krefelder Dezernent Gregor Micus ehrte den "großen Künstler" Ballettdirektor Robert North für den Doppelabend "Petruschka/ Offenbach", Schriftsteller Arnold Küsters gab ein Mundharmonika-Ständchen auf die Tänzerin Elisa Rossignoli, und Ingeborg Müllers, Vorsitzende des Krefelder Kulturausschusses, ehrte den Tänzer Raphael Peter. Auffallend war die Bescheidenheit, mit der die Tänzer dankten und dabei auch ihre Lehrmeister Robert North und dessen Gattin Sheri Cook nicht vergaßen.
Das Bühnenbild von "Hoffmanns Erzählungen", das der Mönchengladbacher Kulturdezernent Gert Fischer ausführlich würdigte, hatte den Opernbesuchern am besten gefallen. Dessen Schöpfer Hinrich Horstkotte ließ durch Operndirektor Andreas Wendholz eine Grußbotschaft verlesen. Darin bezog der Regisseur und Bühnenbildner in seine Ehrung ausdrücklich "die extrem geforderten Techniker" mit ein und erklärte seine Abwesenheit damit, dass er gerade in Chemnitz "Turandot" inszeniere und sich mit "150 Chorchinesen" rumschlagen müsse. Kobie van Rensburg strahlte, als Oberbürgermeister Frank Meyer ihm zur besten Opernproduktion - "Barbier von Sevilla" - gratulierte. Krimiautorin Ina Coelen, die bedauerte, selbst nicht gut singen zu können, zeichnete den besten Sänger, Rafael Bruck, aus. Sichtlich gerührt dankte der junge Bariton, der seit 2012/13 am Haus ist, seinen Eltern, seinen Lehrern und "allen, die immer an mich geglaubt haben". Das unterstrich er mit einem Lied von Erich Wolfgang Korngold, am Flügel begleitet von Michael Preiser.
Das hat es bei der Theater-Oscar-Wahl noch nie gegeben: Stimmengleichheit in einer Kategorie. Dirk Richerdt, inzwischen im Vorruhestand befindlicher Kulturredakteur, war der charmante und bestens informierte Laudator für die beiden besten Sängerinnen Sophie Witte und Amelie Müller, Letztere aus dem Opernstudio. Zum Abschluss seiner interessanten Darstellung der beiden Künstlerinnen sang Richerdt sogar den Schlussgesang der Sophie aus dem "Rosenkavalier", mit dem Witte so große Erfolge gefeiert hatte. Auch die beiden Sängerinnen ließen es sich nicht nehmen, singend zu danken - mit einem hochkarätigen Duett aus der Oper "Lakmée" von Leo Delibes, von Preiser einfühlsam am Flügel begleitet. Nicht vergessen sei das Saxofonquartett "Multifonic", das mit milden wie fetzigen Klängen zur guten Stimmung beitrug.
Wer bekam nun den "Ehrenoscar"? Die spannende Frage konnte nur Michael Grosse beantworten, und er tat das in seiner knappen, doch herzlichen Art, indem er drei Damen und einem Herren aus der Theaterschneiderei - in Vertretung der insgesamt 34 dort Tätigen - mit großem Lob für ihre präzise, flexible und kenntnisreiche Arbeit im Verborgenen dankte.