Krefeld Römischer Torbogen in Gellep entdeckt

Krefeld · Es ist ein wichtiger Mosaikstein für die Kastellforschung: In einem Leitungsschacht an der Gelleper Straße entdeckten die Archäologen bislang unbekannte Reste des mittleren Bogens des südöstlichen Lagertors von Gelduba.

 Das ist das freigelegte Fundament des mittleren Torbogens vom südöstlichen Tor des römischen Kastells in Krefeld-Gellep. Ein kleiner Fund mit großer Bedeutung.

Das ist das freigelegte Fundament des mittleren Torbogens vom südöstlichen Tor des römischen Kastells in Krefeld-Gellep. Ein kleiner Fund mit großer Bedeutung.

Foto: Stadt

Der Archäologe Eric Sponville und ein Grabungshelfer haben ein kleines Fenster in die kriegerische Vergangenheit Krefelds geöffnet. An einer kleinen Baustelle an der Gelleper Straße haben sie einen Teil des südöstlichen Lagertors aus dem zweiten Jahrhundert entdeckt.

Es ist die Zeit, in der die Überfälle germanischer Stämme in das Römische Reich immer mehr zunehmen. Römische Geschichtsschreiber geben diesen Germanen den Namen Franci, die Franken. Auch das römische Kastell und sein Lagerdorf in Krefeld-Gellep sollten diese Barbaren aus Germanien heimsuchen - mit fatalen Folgen. 259 überfielen sie die Siedlung, 275 sogar das Kastell, das bei dem Angriff zerstört wird. Das Lagertor ist noch älter und wird aufs zweite Jahrhundert datiert.

 Das südöstliche Lagertor des römischen Kastells in Krefeld-Gellep im bisherigen Modell. Jetzt ist klar: Es gab einen Mittelbogen.

Das südöstliche Lagertor des römischen Kastells in Krefeld-Gellep im bisherigen Modell. Jetzt ist klar: Es gab einen Mittelbogen.

Foto: Archäologisches Museum Krefeld

Sponville und dem Grabungshelfer bleiben nur wenige Tage Zeit, eine knappe Woche. Und der Grabungsschnitt bleibt wegen der geringen Ausmaße des Leitungsschachtes sehr klein. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Grabung. Der Leitungsschacht ist noch nicht einmal einen Meter breit und auch nur knapp 70 Zentimeter tief. Dass in diesem Bereich vom ersten Steinkastell in Krefeld etwas zu erwarten war, wussten sie zwar aus älteren Grabungen. Was nun konkret in diesem Bereich zu finden sein wird, natürlich nicht. Bei diesem kleinen Ausschnitt stellt sich die Frage, ob die Archäologen überhaupt fündig würden. Doch dann stoßen sie recht schnell auf ein Steinfundament.

"Deswegen haben wir den Bereich um die Mauerreste etwas erweitert freigelegt", berichtet Sponville. Ein gut ein Meter breites und drei Meter langes Mauerstück kam so zum Vorschein. Weil von dem ersten Kastell aus Stein in Krefeld nur wenige Mauerfunde dokumentiert sind, bekommt dieser eher kleine Fund eine größere Bedeutung.

 Skizze vom südöstlichen Lagertor. Eingezeichnet ist das Fundament des mittleren Torbogens, das direkt an die heutige Bebauung anschließt.

Skizze vom südöstlichen Lagertor. Eingezeichnet ist das Fundament des mittleren Torbogens, das direkt an die heutige Bebauung anschließt.

Foto: Stadt

Seit 1810 ist bekannt, dass sich im Keller des angrenzenden Bauernhofes ein gut erhaltenes Stück eines Lagertors befindet. Das Tor lag an der südöstlichen Seite des Kastells, das Anfang des zweiten Jahrhunderts als erstes Lager mit einer Steinmauer gebaut wurde. Die Mauern des Steinkastells besaßen zwei äußere Wände aus Ziegeln, der Zwischenraum wurde mit Bruchsteinen und Verbundmittel wie Lehm aufgefüllt. Und diese Füllung haben Sponville und der Grabungshelfer nun entdeckt. Dabei handelt es sich um die bislang unbekannten Reste des mittleren Torbogens. "Es ist ein Mosaikstein für die Kastellforschung", so Sponville.

Das Kastell in Gelduba erhielt schon zu Beginn des zweiten Jahrhunderts eine steinerne Umwehrung. Die Lager zuvor wurden mit einer Holz-Erde-Konstruktion geschützt. Den Tuffstein brachen Bausoldaten aus dem Krefelder Lager im Brohltal (heute Rheinland-Pfalz) und schifften ihn Rhein abwärts. Man setzte die neue Kastellmauer nicht einfach an die Stelle des alten Schutzwalls, sondern nutzte die Gelegenheit gleich zu einer Erweiterung des Lagerareals und zog rundum eine neue Befestigungslinie.

Die im Fundament ein Meter starke Wehrmauer erhielt wohl zunächst einen freitragenden hölzernen Wehrgang. Wenig später jedoch verstärkte man die Mauer durch eine im Fuße ungefähr drei Meter breite Wallhinterschüttung, die den Wehrgang tragen konnte. In die Befestigung wurden auch solche Tore eingebaut, wie es nun zum Teil freigelegt wurde. Die neue Erkenntnis wird in eine Karte mit den bisherigen Funden eingetragen und bestätigt die Vermutung, dass es sich um den mittleren Torbogen handelt. Und die Archäologen haben bei ihrer Stippvisite in der Römerzeit auch noch Glück: Sie finden eine Münze. "Damit ist es uns möglich, eine Datierung vorzunehmen", erklärt Sponville. Die Münze stammt wahrscheinlich aus der Konstantinischen Zeit Ende des dritten Jahrhunderts, also jenem Zeitraum, in dem das Kastell zerstört worden war. Weiteres müsse nun eine genauere Untersuchung ergeben. "Sie wird wohl beim Abbau der Mauer hier rein gekommen sein", vermutet der Archäologe.

Die abgetragenen Steine "recycelten" zuerst noch die Römer. Diese Art der Wiederverwertung von Baumaterial ist typisch für den "steinarmen" Niederrhein. "Die Sichtmauer aus Ziegeln war für die Steinräuber attraktiv", erklärt Stadtarchäologe Hans-Peter Schletter. In diesem Fall waren die Räuber wohl die Römer selbst, die für den Bau des spätantiken Kastells nach dem Überfall der Franken 275 die Steine wieder verwerteten. Zurückblieb die sogenannte Mauerpackung, das nun gefundene Füllmaterial.

Das neue Kastell bauten die Römer später etwas kleiner auf dem Areal des Vorgängerlagers auf. Als sie und nachrückend die Franken dieses letzte Kastell aufgaben, schlugen die Steinräuber zu. Einige Steine wurden sogar in der Burg Linn verbaut und sind heute eindeutig als römische Ziegel zu sehen. Noch im 16. Jahrhundert konnten Schiffsreisende auf dem Rhein die Ruinen des Kastells erblicken. Wegen der Steinarmut am Niederrhein verschwanden aber auch diese letzten oberirdischen Zeugnisse der Römer in Krefeld. Das Kastellareal in Krefeld gehört zum Niedergermanischen Limes und ist Teil des Unesco-Welterbe-Projekts "Die Grenzen des Römischen Reiches". Dieses umfasst die Grenzlinie und Militäreinrichtungen zur Zeit der Blüte des Römischen Reiches, etwa in der Zeit von 100 bis 200 nach Christus. Ziel ist es, die gesamte Grenzlinie in Europa, Asien und Afrika als Welterbe einzutragen. Abschnitte in Deutschland und Großbritannien sind bereits Welterbe. Krefeld hat gute Chancen, 2020 oder 2022 auf die Vorschlagsliste zu kommen und ebenfalls Welterbe zu werden.

Der Niedergermanische Limes-Abschnitt bestand von 15 vor Christus bis etwa 450 nach Christus. Unter den in Nordrhein-Westfalen einzutragenden Römerstätten nimmt das Lager von Krefeld-Gellep eine Schlüsselposition ein. Es bestand vom ersten bis fünften Jahrhundert nach Christus fast ununterbrochen an derselben Stelle.

(RP)
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