Wegberg Pier geht in die Offensive

Wegberg · Im Prozess gegen Ex-Chefarzt Arnold Pier verteidigte der Hauptangeklagte im Fall Anna S. die Anwendung von frisch gepresstem Zitronensaft auf offener Wunde. Seine Verteidiger attackierten die Staatsanwaltschaft.

Prozess gegen Ex-Chefarzt Dr. Arnold Pier
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Der angeklagte Ex-Chefarzt Dr. Arnold Pier bleibt dabei: Der Einsatz von Zitronensaft zur Wundheilbehandlung ist nach seiner Meinung durchaus mit den Regeln der ärztlichen Kunst vereinbar. Mit der Verlesung der Anklageschrift begann gestern vor dem Landgericht Mönchengladbach der zweite Prozess gegen den 53-Jährigen und drei weitere Ärzte. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach macht Pier unter anderem für den Tod von sechs Patienten verantwortlich.

15 Monate auf Bewährung

Im ersten Verfahren war der frühere Eigentümer der Sankt Antonius Klinik wegen Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall zu 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die Anwälte des Chirurgen legten Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein. Das Gericht trennte den Fall Margarethe W. vom übrigen Verfahren ab, weil ein Schöffe erkrankte und dem Hauptverfahren nicht länger beiwohnen konnte.

Die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Richter Lothar Beckers prüft nun, ob die Vorwürfe aus der Anklageschrift in 17 weiteren Fällen zutreffen. Erst danach wird das Gericht ein Gesamturteil fällen. Im Tatkomplex Anna S., der seit gestern verhandelt wird, sollen Pier und ein weiterer Arzt die offene Wunde am Bein der Patientin mehrfach mit frisch gepresstem Zitronensaft behandelt haben. Die 76-jährige Patientin war im Oktober 2006 nach der Behandlung in der Klinik Wegberg gestorben.

Der Angeklagte Pier widersprach gestern der Darstellung der Staatsanwaltschaft, dass der Patientin durch die Anwendung von Zitronensaft überflüssige Schmerzen zugefügt worden seien. Auch den Vorwurf, die Patientin sei unnötig operiert worden, wies der Chirurg zurück. Die 76-Jährige sei außerdem rechtzeitig über den Einsatz von Zitronensaft aufgeklärt worden. Piers Verteidiger Thomas Verheyen bezeichnete den Tod von Anna S. als "schicksalhaft".

Pier und einer der drei mitangeklagten Ärzte verteidigten den Einsatz von Zitronensaft. Der damals in den OP-Berichten als "Ascorbinsäure" bezeichnete frisch gepresste Zitronensaft sei mit Sicherheit völlig bakterienfrei gewesen.

Wie schon zum Auftakt des ersten Prozesses stellte die Verteidigung des Hauptangeklagten nach dem Verlesen der Anklageschrift Befangenheitsanträge gegen die Schöffen. Nach Ansicht der Rechtsanwälte beinhaltet die Anklageschrift eine Beweiswürdigung und stellt ein vorweggenommenes Plädoyer dar. Das sei unzulässig. "Die Staatsanwaltschaft folgt blind den Angaben in der anonymen Anzeige, ohne selbst zu prüfen", sagte Piers Anwalt Thomas Verheyen. Die Staatsanwälte wiesen dies zurück. "Die Gutachten, die uns vorliegen, sind eindeutig", sagte Staatsanwalt Dr. Volker Brähler.

(RP)
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