Monheim Monheimer gedenken der Pogromnacht

Monheim · Toleranz und Freundschaft statt Fanatismus. Wie Junge und Alte zurückblicken auf 1938 - und nach vorne.

 Sängerinnen des Malborker Jugendchors Balbiny entzünden mit ihren Monheimer Gastfamilien Kerzen am Mahnmal neben der Altstadtkirche.

Sängerinnen des Malborker Jugendchors Balbiny entzünden mit ihren Monheimer Gastfamilien Kerzen am Mahnmal neben der Altstadtkirche.

Foto: Spekowius

Es waren mehr als 100 Lichter der Hoffnung und des Erinnerns, die Monheimer und Gäste aus der polnischen Partnerstadt Malbork gemeinsam entzündeten. Mit einer Gedenkstunde in der Altstadtkirche und anschließender Kranzniederlegung vor dem Mahnmal am Kradepohl gedachten am Donnerstag Monheimer der Opfer der Pogromnacht vor 79 Jahren. In der Nacht des 9. November 1938 wurden in ganz Deutschland Synagogen und andere jüdisches Eigentum in Brand gesteckt oder verwüstet. Mehrere hundert Juden starben infolge der Misshandlungen und Verfolgung durch Schlägertrupps des NS-Regimes. In den Jahren darauf mündete diese Barbarei im Holocaust, dem Völkermord an den europäischen Juden mit etwa sechs Millionen Todesopfern.

Neben einer Ansprache von Bürgermeister Daniel Zimmermann gab es in Monheim Musik- und Wortbeiträge von Schülern der Peter-Ustinov-Gesamtschule, des Otto-Hahn-Gymnasiums und erstmals auch der städtischen Sekundarschule. Gäste aus Malbork, dem früheren Marienburg (Westpreußen), um Bürgermeister Marek Charzewski gestalteten die Andacht mit. "Wie gut, dass Sie alle hier sind", sagte der evangelische Pfarrer Falk Breuer mit Blick auf die vielen alten und jungen Menschen in seiner Kirche. "Das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der Populisten in Deutschland, Europa und der Welt wieder auf dem Vormarsch sind." Vor diesen Tendenzen warnte auch Bürgermeister Zimmermann. "Dass wir heute, 72 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, auf den Trümmern der Entmenschlichung und deutscher Verbrechen im Rahmen von Städtepartnerschaften Freundschaften mit Menschen aus Malbork in Polen und Tirat Carmel in Israel aufbauen, ist ein kleines Wunder." Es sei aber vor allem eine Chance: "Die persönliche Begegnung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die Möglichkeit, Freundschaften über Grenzen hinweg zu schließen, baut Vorurteile ab." Sie fördere Respekt, Offenheit und Toleranz. "All das sind Eigenschaften, die wie ein Impfmittel wirken können gegen Diskriminierung, Intoleranz und Fanatismus", sagte Zimmermann und erklärte weiter: "Dass mit der AfD jetzt eine Partei in den Deutschen Bundestag gewählt worden ist, die national-völkische Denkweisen vertritt und rassistische Programmbestandteile formuliert, ist erschreckend."

Auch in Monheim habe die Alternative für Deutschland 2400 Stimmen erhalten und habe damit 10,6 Prozent erhalten. Man wisse um die islamfeindlichen und rechtsextremistischen Weltanschauungen, die in allen Gesellschaftsschichten vorkämen, so Zimmermann. "Auch deshalb wollen wir als Stadt Präventionsprojekte gegen politischen Extremismus entwickeln, ehrenamtliche und hauptamtliche Akteure, die sich für Interkulturalität engagieren, vernetzen und unterstützen sowie im Bereich der Vorurteilsintervention und -prävention tätig werden." Zudem hat der Stadtrat erst vor kurzem beschlossen, 32 weitere Stolpersteine im Stadtgebiet zu verlegen. Sie werden bald an die Frauen, Männer Kinder erinnern, die in Baumberg und Monheim zur NS-Zeit Zwangsarbeit leisten mussten. 1400 waren es insgesamt. 32 von ihnen starben - aufgrund der schlechten Wohn- und Arbeitsbedingungen, weil ihnen eine ordentliche medizinische Versorgung vorenthalten wurde, sie bei Luftangriffen keine Schutzkeller aufsuchen durften oder durch Erschießung.

An die polnischen Gäste, aber auch an seine Monheimer Bürger gewandt, hob Zimmermann Unterschiede zu heute hervor. Gleichzeitig betonte er, dass es diese errungenen Werte im 21. Jahrhundert weiter gemeinsam zu verteidigen gilt. Zimmermann sagte: "Nicht jeder, der hier lebt, muss hier aufgewachsen sein. Nicht jeder, der hier lebt, muss Deutsch als Muttersprache sprechen, dieselbe Religion oder dieselbe sexuelle Orientierung haben. Wir alle sind verschieden und doch sind wir alle, die wir hier leben, in unseren Rechten gleich. Das ist das heutige Deutschland, das ist der Geist des Grundgesetzes."

(bine)
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