Leverkusen Eine Freundschaft auf Bombentrümmern

Leverkusen · Im März 1945, kurz vor Kriegsende, warf ein britischer Jagdbomber seine tödliche Fracht in der Ruhlach Opladen ab. Die Katastrophe traf eine Familie besonders hart - war aber auch der Ausgangspunkt einer lebenslangen Freundschaft.

Leverkusen: Eine Freundschaft auf Bombentrümmern
Foto: dpa

Die erste Begegnung mit seinem späteren Freund wird Karl-Heinz König nie vergessen: Es war im März des Jahres 1945, als er Wolfgang Kraft das erste Mal sah, auf den Trümmern der Ruine eines Wohnhauses am Burgplatz. "Ich sah den fast Gleichaltrigen zum ersten Mal, als er wie verloren auf dem Schutthügel des zerstörten Hauses seiner Familie hockte und nach letzten Habseligkeiten suchte. Es war der Anfang einer lebenslangen Freundschaft.", beschreibt König.

Familientragödie öffentlich gemacht

Jetzt, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, hat der frühere Direktor der katholischen Hauptschule Langenfeld die Geschichte seiner Freundschaft öffentlich gemacht - und damit auch die Schilderung einer jener Familientragödien, wie sie so bezeichnend für das Ende des Krieges sind.

Es geht um die Familie Kraft, die erst im Herbst 1944 von Köln nach Opladen geflüchtet war - "in der Hoffnung, hier sicherer zu sein als in der von Bombenangriffen heimgesuchten Großstadt", schreibt König.

In nüchternen, aber dennoch bewegenden Worten, schildert der heute 84-jährige Pensionär, was sich an jenem schicksalhaften 2. März im Bereich der Ruhlach zutrug - und vor allem in jenem Haus am Burgplatz 2, in das die Eheleute Kraft mit ihrem 14-jährigen Sohn Wolfgang, seinen Großeltern und seiner Tante mit ihren drei Töchtern eingezogen waren.

Bombe zerstörte Doppelhaus am Burgplatz

"Am Morgen des 2. März 1945 - es war ein Freitag - geschah das Unglück: Wolfgang war bereits in der Schule im Gymnasium Hedrichsfeld, seine Cousine Margret wegen des Herz-Jesu-Freitages in der Messe in der Kapelle der Marienschule und der Großvater auf dem Weg zu seinem Hausarzt", schildert Karl-Heinz König die Ereignisse.

Plötzlich sei gegen 9 Uhr einer der gefürchteten englischen Jagdbomber aufgetaucht: "Der ,Jabo' kreiste mehrmals über der Ruhlach, wie eine heute noch lebende Zeugin berichtet, die damals gerade dort vorbeikam. Noch bevor die Passantin ihr Elternhaus an der Elsbachstraße in Eile erreicht hatte, hörte sie die Detonation einer Sprengbombe, die vermutlich dem nahen Bahngelände oder dem Bahnhof Opladen galt. Sie traf jedoch das Doppelhaus am Burgplatz und zerstörte es vollständig", berichtet König.

In den Trümmern des Hauses starben Wolfgangs Eltern, seine Großmutter, seine Tante, sowie seine siebenjährige Cousine Christa (und der Fox-Terrier Lumpi mit ihnen). Christas Zwillingsschwester Doris konnte lebend aus den Trümmern geborgen werden.

Dem damaligen Pfarrer Mülfarth von Sankt Remigius sei es zu verdanken gewesen, "dass es nicht zu dem von der Parteileitung gewünschten Begräbnis mit der entsprechenden Nazipropaganda auf dem Opladener Ehrenfriedhof kam, sondern dass der Großvater mit seinen drei Enkelkindern die Angehörigen in aller Stille auf dem Friedhof Birkenberg begraben konnte", erinnert sich Karl-Heinz König und fügt hinzu: "Wenig später lernte ich Wolfgang kennen."

Nachbarn nahmen überlebende Kinder auf

Krafts Cousinen fanden Unterkunft bei Familie Jaspers in der Ruhlachstraße, bis ihr Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und die beiden Mädchen zu sich nach Köln nehmen konnte.

"Wolfgang wurde mit seinem Großvater von Familie Marx in der Fürstenbergstraße bis zu ihrer Rückkehr nach Köln aufgenommen", erinnert sich Karl-Heinz König: "Wolfgang studierte Theologie, wurde katholischer Priester und wirkte bis zu seinem Tod als geschätzter Seelsorger im Erzbistum Köln. Er starb im Jahr 2010 und fand seine letzte Ruhestätte im Grab seiner Familie auf dem Friedhof Birkenberg."

Dort besucht ihn Karl-Heinz König auch heute noch regelmäßig: "Wir haben uns all die Jahre nie aus den Augen verloren", erinnert sich der 84 -jährige Opladener.

Aus den vielfältigen Besuchen im jeweiligen Haus des anderen sei nun eben eine etwas andere Besuchsform entstanden: "Jetzt treffe ich ihn halt auf dem Friedhof", sagt Karl-Heinz König. Das macht die Begegnungen allerdings keineswegs weniger herzlich.

(RP)
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