Mönchengladbach "Auch im Islam gibt es Erneuerung"

Mönchengladbach · Mouhanad Khorchide, Professor für Islamwissenschaften an der Universität Münster, sprach in der evangelischen Hauptkirche Rheydt über Aufklärung und Erneuerung einer jahrtausendealten Religion.

Wo und wann immer der 1971 in Beirut geborene Mouhanad Khorchide, Professor für Islamwissenschaften an der Universität Münster, seine Vorträge hält und zur Diskussion einlädt, folgen ihm viele, viele Menschen. So auch in die evangelischen Hauptkirche in Rheydt, wo Khorchide auf Einladung der Gemeinde referierte. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Philippus-Akademie des Kirchenkreises Gladbach-Neuss und im Rahmen der "Donnerstag halb8-Reihe" statt.

Khorchide folgten zahlreiche Zuhörer - aller Religionen. Und es können gar nicht genug sein. Denn wenn Mouhanad Khorchide spricht, kann man nicht aufhören zuzuhören. So leicht und zugleich tief wirkt, was er über den Islam, seine Grundlagen, seine Auslegungen erzählt, so verständlich, so humorvoll und emphatisch. Leidenschaftlich auch.

Mouhanad Khorchides Anliegen ist es, zu zeigen, welche Facetten der Islam hat, die die ganze Welt bereichern können. "Islam ist Barmherzigkeit" lautet beispielsweise der Titel eines seiner Bücher, "Gott glaubt an den Menschen" ein weiterer.

In Rheydt stand Khorchides Vortrag unter dem Titel: "Der Islam und der Verfassungsstaat - Mit Reformen gegen traditionalistische Positionen".

Khorchide stellt Thesen auf, die in seiner Religionsgemeinschaft nicht nur Beifall finden: Aufklärung, Erneuerung einer jahrtausendealten Religion? In den christlichen Gemeinden dagegen stößt er mit seinen Überlegungen auf großen Zuspruch. Der Zwiespalt wurde den Gästen des Vortrages in der Hauptkirche nur allzu deutlich bewusst: Vor dem Eingang wachte die Polizei und auch während des Vortrags blieb sie an Ort und Stelle. Mouhanad Khorchide steht nach Morddrohungen gegen ihn unter Polizeischutz.

Was Khorchide wortgewandt und anschaulich darlegt, kann man so zusammenfassen: Der Koran muss historisch bedingt und im Kontext verstanden werden. Daraus folgt, dass nur, wenn der Koran stets neu reflektiert wird, er im Einklang mit der Moderne stehen kann. "Der Islam ist nicht vom Himmel gefallen" sagt Khorchide und fügt hinzu: "Ich weiß, dass Muslime jetzt zusammenzucken." Aber er erklärt auch, dass die islamische Ideengeschichte bis ins 9. Jahrhundert hinein entwickelt wurde, und viele Dinge aus unserer Zeit heraus neu betrachtet werden müssen, ohne die Grundfeste des islamischen Glaubens zu zerstören.

Um die Notwendigkeit der Erneuerung zu betonen, zitiert Khorchide den Propheten: "In 100 Jahren wird Euch Gott eine Person schicken, die Eure Religion erneuert." Im selben Atemzug ergänzt Khorchide, man dürfe dies nicht buchstabentreu lesen. Dahinter stecke die wichtige Haltung der ständigen Reflexion des Islams. Natürlich ist Khorchide bewusst und benennt dies auch, dass unterschiedliche islamische Gruppen und Länder den Islam unterschiedlich deuten. Er aber steht ein für die Reformation, für die ständige Reflexion und Erneuerung.

Man könnte ihm Stunden lang zuhören und würde als Christ in einem Strom von Erkenntnis sitzen. Man müsste es auch tun, wollte man ein friedliches Nebeneinander der Religionen erreichen.

(b-r)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort