Hartmut Wnuck Finanzen sind Kopfsache

Mönchengladbach · Der Vorstandsvorsitzende der Stadtsparkasse spricht über das Projekt "Mäuse, Moos und mehr". Er sagt, warum es den Deutschen an finanzieller Risikofreude mangelt - und erklärt, wie man den Weg in die Schuldenfalle vermeidet.

 Hartmut Wnuck ist Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Mönchengladbach.

Hartmut Wnuck ist Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Mönchengladbach.

Foto: Hans-Peter Reichartz

Hand aufs Herz, Herr Wnuck: Warum ist es wichtig, dass Jugendliche auch in Niedrigzinsphasen das Sparen erlernen?

Hartmut Wnuck Weil es doch nicht vernünftig sein kann, seine Zukunft ausschließlich auf Krediten aufzubauen - zumal ja auch Kredite mit fast null Prozent Zinsen zurückgezahlt werden müssen. Da scheint es doch sinnhaft, für größere Konsumvorhaben etwas anzusparen und eigenes Kapital mit einzusetzen. Und für die Volkswirtschaft ist das Sparen ohnehin die Basis für Investitionen und Wachstum.

Aber es wächst da eine Generation heran, die im Prinzip nie richtig erfahren hat, was Zinsen überhaupt sind. Und die Gefahr, durch Null-Zins-Angebote in die Schuldenfalle abzurutschen, wird dabei gleichzeitig größer.

Wnuck Es wird in der Tat in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase und ohne große Zinseszinseffekte schwieriger, die Bedeutung des Sparens zu vermitteln, ja. Aber eben auch wichtiger denn je, entsprechend zu sensibilisieren. Gerade mit Bezug auf Null-Zins-Kredite, für diesen psychologischen Effekt des vermeintlichen "Kostet ja nichts": Was hat mein Gegenüber denn davon, wenn er mir etwas praktisch ohne Zinsen überlässt? Das muss man hinterfragen können, denn niemand schenkt einem etwas, auch wenn es so aussieht. Aber da mangelt es oft am nötigen Hintergrundwissen. Und wenn man sich anlocken lässt, hat man schnell einen Berg von Verpflichtungen vor sich, über den man nicht mehr blicken kann. Dann hat man irgendwann mehrere Produkte auf Kredit gekauft, den man praktisch ohne Zinsen bekommen hat, muss aber die Raten bezahlen - aus dem laufenden Einkommen heraus, weil man nichts gespart hat. Da kann es dann schnell sehr eng werden.

Man kommt heutzutage als junger Mensch also nicht mehr ohne Basiswissen über wirtschaftliche Zusammenhänge aus?

Wnuck Wenn ich eigenverantwortlich und sicher handeln will, ist eine finanzielle Grundbildung die absolute Voraussetzung, um das auch nachhaltig und erfolgreich zu tun. Das ABC der ökonomischen Bildung hat für mich zunächst drei wesentliche Aspekte: den Bereich Kontoführung, mit allen Ausprägungen, den Bereich Sparen und den Bereich Privatkredite. Ferner ist ein grundlegender Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge zwingend vonnöten - dieses Wissen zu vermitteln, tut in Deutschland in der Breite weiterhin Not. Denn finanzielle Fragen begleiten einen schließlich das ganze Leben.

Um genau dieses Wissen zu vertiefen, bieten Sie das Projekt "Mäuse, Moos und mehr" in weiterführenden Schulen an. Worum geht es konkret?

Wnuck Es geht darum, dass Lehrer sehr gut vorbereitetes und didaktisch hochwertiges Material, das wir zur Verfügung stellen, spannend und gewinnbringend in den Unterricht einbauen können. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass Experten der Stadtsparkasse in den Unterricht kommen, den Schülern aus ihrem Alltag berichten und Rede und Antwort stehen. Ganz wichtig: Wir sind dabei ausdrücklich nicht mit Produktwerbung unterwegs.

Warum sind regionale Kreditinstitute besonders geeignet, hier Aufklärungsarbeit zu leisten?

Wnuck Als Stadtsparkasse sehen wir uns in der Pflicht, uns in der Region gesellschaftlich zu engagieren; im Übrigen gehört das nicht erst seit gestern zu unserem Auftrag. Die Förderung der finanziellen Eigenvorsorge ist seit 200 Jahren ein guter Grundstein von Sparkassenarbeit. Dazu gehören auch Elemente wie das Planspiel Börse. Wir erzählen das nicht nur, wir leben das auch - das zeigt sich auch dadurch, dass wir seit vielen Jahren gute Kontakte zu Schulen und Lehrern halten. 2016 machten 18 Schulen mit rund 1100 Schülern bei "Mäuse, Moos & mehr" mit, damit lagen wir erstmals signifikant über der Marke von 1000 Teilnehmern. Wir hätten nichts dagegen, die Zahl dieses Jahr noch zu toppen.

Ist fehlendes Wissen auch der Grund dafür, dass Deutsche sich im Schnitt weniger auf den Aktienmarkt wagen als Niederländer oder Schweizer?

Wnuck Es ist eine Mischung aus mangelndem Wissen und fehlender Risikobereitschaft. Deutschland ist eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen - aber die Deutschen sind wenig bereit, sich an weltweit erfolgreichen Unternehmen zu beteiligen. Nur 14 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahren besitzt Aktien oder Aktienfonds. Ich sage immer: Aktienanlage ist Kopfsache. Und da herrschen bei uns vielfach Unsicherheit, Missverständnisse oder Fehlurteile vor: ,Das ist nur was für ganz Reiche' zum Beispiel. Oder ,Das geht nur mit großen Beträgen'. Oder ,Es gibt unwahrscheinlich hohe Verlustrisiken'.

Zumindest Letzteres ist ja auch nicht von der Hand zu weisen.

Wnuck Es gibt sicherlich Unterschiede, ob ich in ein junges, innovatives Technologieunternehmen investiere, in einen renommierten, weltweit agierenden Chemiekonzern oder in einen breit gestreuten, dividendenorientierten Aktienfonds. Gerade in einer Niedrigzinsphase aber ist es doch mehr als vernünftig, verantwortungsvoll und solide in Unternehmenswerte zu investieren. Das sollte man allerdings erstens selbst einzuordnen wissen und sich dann zweitens gut beraten lassen.

Was empfehlen Sie?

Wnuck Unsere Anlagekultur in Deutschland ist aus meiner Sicht viel zu risikoavers. Ich plädiere für klar fokussierte Anlageformen und gegen zu komplexe Mischkonstrukte. Und dann muss man die Anlage zwingend über die Strecke sehen, als langfristiges Engagement: Denn langfristig zeigen die Aktiencharts seit vielen Jahren nach oben. Die Schwankungen muss man einfach aushalten - zum Beispiel lag die fast jedem bekannte Siemens-Aktie in Krisenzeiten bei unter 50 Euro, aktuell bei über 120. Und: Man kann ganz bescheiden anfangen, schon mit 50 Euro und einem Aktiensparplan mit sauberem Anlagefokus.

Das Letzte, woran Jugendliche denken, ist zumeist die eigene Altersvorsorge. Warum sollte sich das dringend ändern?

Wnuck Zunächst einmal finde ich es nachvollziehbar, dass das Thema da gefühlt noch ganz weit weg ist. Der Altersvorsorgeprozess lebte lange Zeit sehr stark von Zinseszinseffekten, das tut er momentan nicht - aber auch das wird nicht auf ewig so bleiben. Gerade weil die Situation so ist, wie sie ist, spricht doch einiges dafür, sich noch früher mit dem Thema auseinanderzusetzen und beispielsweise intensiv über die Form eines Aktienfonds als langfristigen Sparplan nachzudenken. Im Besonderen weil es aktuell nur niedrige Zinsen gibt. Außerdem ist es vernünftig, so früh wie möglich das mitzunehmen, was man an staatlicher Förderung bekommt. Aber: Wenn ich alles komplett risikoarm einstelle, wird es sehr schwierig.

Wenn Sie mit Ihrem Wissen von heute noch einmal ein Jugendlicher wären: Wie würden Sie mit Ihrem ersten erarbeiteten Geld umgehen?

Wnuck Meine Frau und ich haben damals Zielsparverträge für unsere ersten Anschaffungen eingesetzt und brauchten deswegen nicht mit Krediten zu starten, außerdem haben wir die staatlichen Fördermöglichkeiten voll ausgeschöpft. Das würde ich jederzeit wieder so tun - und für diese kurzfristigen Sparziele würde ich auch nach wie vor nicht auf Aktiensparen setzen. Danach habe ich mich, auch beruflich bedingt, der Wertpapierwelt zugewandt. Dabei habe ich seit 1987 alle Aufs und Abs mitgemacht.

JAN SCHNETTLER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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