Mönchengladbach Gänsehaut-Gefühle bei der "Abendröte" im Studio

Mönchengladbach · Lieder von Schubert und Manfred Trojahn im Theater

Da waren die gut 40 Ensemblia-Besucher überrascht, als sie im Theater-Studio zum Lieder-Zyklus auch noch einen Hör-Einblick in eine Meisterklasse geboten bekamen. Operndirektor Andreas Wendholz hatte sich mit dem Komponisten Manfred Trojahn überlegt, die vier Sänger des Opernstudios Niederrhein bei der gemeinsamen Arbeit an Trojahns Liedern vorzustellen: das knifflige Ringen um lange Phrasen, deutliche Aussprache, möglichst ausdrucksstarke Gestaltung atonaler Musik. Das war interessant, dauerte aber. Und über Trojahns Kompositionsweise, die Machart seiner elf Lieder, und wie sie sich zu den überlieferten elf Liedern von Schubert zum nun vervollständigten Zyklus "Abendröte", wie Friedrich Schlegel ihn gedichtet hat, fügen, musste man sich selbst einen Reim machen. Ein Textblatt wäre hilfreich gewesen.

Doch was Amelie Müller (Sopran), Manon Blanc-Delsalle (Mezzo), James Park (Tenor) und Sebastian Seitz (Bariton) erarbeitet haben, ist von großem Reiz und zeugt davon, dass alle jungen Sänger auf einem gutem Weg sind. Das Lied ist die intime Form des Gesangs, die Stimme und die dazugehörige Künstlerpersönlichkeit teilt sich unmittelbar dem Publikum mit. Alle vier lieben, können das.

Für den Hörer ergibt sich eine Reise durch ganz verschiedenartige Schubert-Lieder, deren Wirkung von entzückend ("Der Schmetterling" mit Amelie Müller) bis ergreifend ("Der Wanderer" mit Sebastian Seitz) reicht. Sie verbindet, außer der Textquelle, nichts miteinander. Und ebenso wenig mit Trojahns Liedern, die sich dazwischenmischen. Trojahn ist ein Fuchs, er beschränkt seine Mittel, stellt die Stimme in den Dienst der Melodie wie des Textes. Er schreibt plastisch, nachvollziehbar, intensiv und sängerdienlich. Mal schwelgt er in romantischer Attitüde, mal begleitet er ein Lied im Wortsinn eintönig.

Sebastian Seitz ist der musikalisch am weitesten entwickelte Sänger, er kann mit saugendem Legato und wunderbaren Baritonfarben wohlige Gänsehautgefühle entfachen. Wenn er Intonationsschwächen abstellt, hat er eine glänzende Zukunft. Manon Blanc-Delsalle ist ganz ernsthaft eins mit ihrem Körper-Instrument, Amelie Müller wird ihre leuchtenden, gern auch keck hohen Töne noch erden lernen, James Parks schöne Tenorfarben gewännen sicherlich durch ein Mehr an "Brust raus".

(ark)
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