Mönchengladbach Häusliche Gewalt nimmt zu

Mönchengladbach · Fast jeden Tag muss die Polizei ausrücken, weil in Familien oder Beziehungen geprügelt wird. In diesem Jahr gab es 283 Fälle von häuslicher Gewalt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, weiß man in der Frauenberatungsstelle.

Nur weil das Baby am frühen Morgen schrie, ist ein Mann aus Odenkirchen ausgerastet. Er schlug seiner Frau, die das Kind gerade wickeln wollte, mehrfach mit der Faust ins Gesicht und drückte ihr anschließend die Schläfen zusammen. Zum Glück gingen Nachbarn dazwischen und alarmierten die Polizei. Die war schon am Abend in der Wohnung gewesen, weil es unter den Eheleuten Streit gegeben hatte. Der Mann hatte daraufhin einen Platzverweis bekommen, kehrte am Abend aber wieder zurück, als seine Familie schlief. Nach dem zweiten Gewaltausbruch wiesen die Beamten den Täter endgültig aus der Wohnung. Strafanzeige wurde gestellt.

Opfer fast immer Frauen

Solche Einsätze wie dieser gehören für die Mönchengladbacher Polizei zum Alltagsgeschäft. Denn im Schnitt wird in der Stadt pro Tag ein Fall von häuslicher Gewalt angezeigt. "Und das ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt Doris Ingenhag von der Frauenberatungsstelle. Schließlich sei Gewalt in den eigenen vier Wänden immer noch ein Tabu-Thema. Darum landeten auch nur die wenigsten Fälle bei der Polizei. Nicht jedes Opfer sei bereit darüber zu sprechen, und nicht jeder Nachbar alarmiere bei verdächtigen Geräuschen oder sogar Hilferufen die Polizei. An die Öffentlichkeit gelangen nur die spektakulären Fälle, wie zum Beispiel der Doppelmord in Rheydt. Damals erschoss ein Mann nach der Trennung von seiner Familie Frau und Tochter. Fast immer handelt es sich bei den Opfern um Frauen. "Manchmal melden sich auch Kinder bei uns, die zu Hause immer wieder verprügelt werden. Ganz selten ist einmal ein Mann betroffen", sagt Polizeisprecher Jürgen Lützen.

Von den 326 Frauen, die sich im vergangenen Jahr in der Beratungsstelle an der Kaiserstraße meldeten, waren ein Drittel von Gewalt betroffen. Manche Fälle, so berichtet Doris Ingenhag, seien besonders tragisch. Auffällig und kaum verständlich: "In der jüngsten Vergangenheit kamen sehr viele Frauen in die Beratungsstelle, die nach einer schweren Erkrankung mit einer darauffolgenden anstrengenden Therapie von ihren Partnern geschlagen wurden", sagt die Beraterin. Und: "Die Brutalität, gepaart mit Mitleidlosigkeit, macht einen manchmal richtig hilflos." Warum Männer ausgerechnet in solchen Situationen prügeln, kann Doris Ingenhag nur vermuten: "Vielleicht weil die Partnerinnen nicht mehr ,funktionieren'."

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Doris Ingenhag nun in der Beratungsstelle, und das Thema "häusliche Gewalt" ist nach wie vor ein großes Problem. Die Termine an der Kaiserstraße sind komplett ausgebucht. "Die langfristigen Beratungen mussten wir aus Finanzgründen sogar herunterfahren", sagt Doris Ingenhag. Denn die Beratungsstelle muss immer noch ein Teil ihrer Kosten durch Spenden aufbringen. "In diesem Jahr fehlen uns noch 7000 Euro", sagt die Beraterin.

(RP)
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